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Gericht gibt Karwendelbahn-Chef recht

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Wieder Thema vor Gericht: die Mittenwalder Karwendelbahn. © Peter Kornatz

Mittenwald - Stefan S. muss zahlen: Die Richterin hat ihn zu einer Geldstrafe von 1050 Euro verurteilt – „wegen fahrlässiger Körperverletzung“. Punktsieg für die Karwendelbahn-Chefs.

Kopfschütteln bei Stefan S. und dessen Anwalt Christian Langhorst. Soeben hatte ihn die Vorsitzende Linda Behmel-Ruoff zu einer Geldstrafe von 1050 Euro (30 Tagessätze à 35 Euro) verdonnert – wegen eines Fußtritts. Zudem darf der Angeklagte die Verfahrenskosten tragen. Schon nach dem Urteils zeichnete sich ab, dass der fassungslose Krüner und sein Rechtsbeistand in Berufung gehen werden.

Denn der Spruch von Richterin Linda Behmel-Ruoff könnte Auswirkungen auf die Arbeitsgerichts-Verhandlung am 4. August haben, bei dem S. gegen seinen Rauswurf bei der Mittenwalder Karwendelbahn klagt. Denn seine Vorgesetzten, die ihn offenbar unbedingt loswerden wollen, können nun argumentieren, man habe es bei S. mit einem Angestellten zu tun, der wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden sei.

Patrick K., seit kurzem zum Vorstand der Karwendelbahn bestellt, hat also mit seiner Klage gewonnen. Auch wenn die Richterin den Fußtritt von vorsätzlich auf fahrlässig abstufte – und zwar „im untersten Bereich“. Mag einem juristischen Laien der skurrile Fall noch so banal vorgekommen sein, verhandelt wurde er tatsächlich eineinviertel Stunden lang – mit zum Teil sehr unterschiedlichen Aussagen über den Tathergang.

Der Tritt mit der großen Wirkung hatte sich heuer am 9. Februar gegen 13 Uhr in der Werkstatt der Karwendelbahn zugetragen. Dort nutzten S. und zwei Kollegen das schlechte Wetter zu Reparaturarbeiten. Plötzlich betrat K., damals Aufsichtsratsmitglied, den Raum. „Mir war schon bewusst, dass er da war“, blickte S. auf den entscheidenden Moment zurück. „Aber ich habe mich auf meine Arbeit konzentriert.“ Jedenfalls trat der damalige Betriebsrat und Personalvertreter im Aufsichtsrat Überraschungsgast K.. Ob nun bewusst oder unbewusst – da gingen die Ansichten weit auseinander.

Dass sich der Mann von der Konsortium AG, die Hauptaktionärin der Karwendelbahn ist und sich seit Wochen einen erbitterten Streit mit dem Markt Mittenwald liefert, und S. nicht grün sind, wurde bei der Befragung des Opfers mehr als deutlich. Bevor K. auf jenen ominösen Vorfall zu sprechen kam, berichtete er der Richterin von „ständigen Provokationen“ des Angeklagten, die in jenem Fußtritt gipfelten. „Er kam von links und ist mir auf den Schuh getreten – bewusst und mit Absicht.“ Nach einer Schrecksekunde will K. gesagt haben: „Herr S., was war denn das?“ Dieser wiederum soll ihn später mit den Worten „Sie müssen schon aufpassen, sonst könnt’ noch was anderes passieren“ angeblafft haben. Was K. als Drohung empfand. Langzeitschäden hat er scheinbar nicht davongetragen. Ja, drei Tage später war er im Dammkar beim Skifahren, was der neue Vorstand auf Nachfrage von Verteidiger Langhorst mit etwas Zögern zugab. „Das ist schon richtig, aber da hat mir alles wehgetan.“ Ob er medizinische Hilfe in Anspruch genommen habe, wollte die Richterin wissen. „Nein, ich gehe doch nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt.“

Dann betrat ein Zeuge den Gerichtssaal, der laut Rechtsanwalt Langhorst bei seinem Schlussplädoyer „ein ganz armseliges Bild“ abgegeben hat. Zumindest will S. Arbeitskollege nichts mitbekommen haben. Gesehen hab’ ich davon nichts“, beteuerte der Mittenwalder. „Erst als Herr K. ,Aua‘ rief, habe ich das Ganze mitgekriegt.“ Dem Tritt hatte er „aber nicht viel Aufmerksamkeit“ geschenkt. Absicht oder nicht? „Das kann ich nicht sagen, das ist zu schnell gegangen“, erläuterte ein weiterer Zeuge.

Staatsanwältin Bettina Müller sah nach der Anhörung „den Tatvorwurf bestätigt“. Und „zweifelsfrei gab’s den Tritt mit nicht unerheblichen Schmerzen“. Die Anklägerin plädierte deshalb auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 35 Euro (2100 Euro). Ursprünglich standen im Strafbefehl, gegen den S. Ende Mai Einspruch eingelegt hatte, 1800 Euro.

Verteidiger Langhorst fragte sich: „Wo ist die Fahrlässigkeit, wo ist der Vorsatz?“ Der von K. empfundene Fußtritt sei schlicht „eine Alltagssituation“ gewesen – in einem Arbeitsraum, in dem Unbefugte keinen Zutritt hätten. Zudem betonte der Anwalt, dass K. und dessen Vorgänger, ein vorbestrafter Heidenheimer Geschäftsmann, auf einen Zeugen „Einfluss vor der Sitzung“ genommen hätten. Ferner versuchte Langhorst, dem Gericht die verworrene Gesamtsituation des Unternehmens darzulegen. „Bei der Karwendelbahn brennt die Hütte.“ K. unterstellte er, „ein massives Interesse“ zu haben, seinem Mandanten zu schaden. Deshalb könne es für S. nur Freispruch geben.

Richterin Behmel-Ruoff sah’s etwas anders in dem „ungewöhnlichen Fall“. „Alle haben irgendwie was anderes gesagt“, konstatierte die Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung. Letztlich war für sie die „völlig glaubhafte“ Aussage des zweiten Zeugen mit die Richtschnur gewesen. „Er hatte keinen Belastungseifer.“ Bei den zahlreichen Zuschauern sorgte Behmel-Ruoff mehrheitlich für Kopfschütteln. K. hingegen dürfte den Saal zufrieden verlassen haben, was zuletzt eher selten der Fall war.

Christof Schnürer

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