Alpspix-Eröffnung: Höhenrausch für alle
Garmisch-Partenkirchen - Höhenangst verboten: Wer die Aussichtsplattform „AlpspiX" an der Alpspitze betritt, hat plötzlich nichts als einen Gitterrost und einen 1000 Meter tiefen Abgrund unter den Füßen. Spektakulär - und heftig kritisiert. Am Sonntag ist die AlpspiX-Eröffnung.
Und auf einmal ist der Fels weg, auf einmal ist der Boden unter den Füßen weg. Man steht auf dem Stahlgitter, unter einem nichts als der Abgrund, 1000 Meter tief. Willkommen auf der Aussichtsplattform AlpspiX, der neuesten Attraktion der Bayerischen Zugspitzbahn am Fuße der Alpspitze. Am Sonntag wird der 24 Meter lange „Alpen-Balkon" eröffnet. Ein Drama oder ein Traum, je nach Sicht der Dinge.
Die ersten Wanderer jedenfalls haben sich bereits vor der offiziellen Eröffnung an den Bauarbeitern, die die letzten Handgriffe und Aufräumarbeiten machen, vorbeigeschlichen. Mit langsamen Schritten, wie auf dem Schwebebalken, tasten sie sich die beiden x-förmig überkreuzten Stahlarme vor. Manche schauen erst gar nicht nach unten, vor lauter Angst. „Ein sehr spezielles Teil", sagt einer. „Es ist schlimmer als beim Tandemsprung", sagt ein Urlauber aus dem Landkreis Altötting. Es sei eine ganze andere Überwindung als beim Fallschirmspringen, den drei Meter breiten Gitterrostweg ganz bis zur Glaswand vor zu gehen. Neben ihm steht seine Frau, sie lacht. „Aber ich lasse mir die Angst nicht anmerken." Dann lachen beiden.
Der AlpspiX ist ein beeindruckendes Bauwerk, keine Frage. Aber gehört so etwas auf den Berg, eine alpine Jahrmarktsattraktion? Der Bund Naturschutz wettert: „Der AlpspiX ist eine unnötige Verunstaltung der schönen bayerischen Gebirgswelt", sagt der Landesbeauftrage Richard Mergner.
Auch der Deutsche Alpenverein hat da so seine Probleme, auch wenn er im AlpspiX nicht die allergrößte Tragödie für die bayerischen Alpen sieht. Immerhin wird da oben an der Alpspitze noch ein originäres Bergerlebnis vermittelt - ein Bergpanorama ohne Ende. Dennoch heißt es: „Die Errichtung von Anlagen und Bauwerken, die vorgeben, dem Menschen die Natur durch Spektakel näher zu bringen lehnt der Alpenverein grundsätzlich ab." Und: Die Alpen dürften nicht zur Kulisse degradiert werden.
Die Bayerische Zugspitzbahn ist in dieser Frage entspannter. „Wir wollen keinen vom Erlebnis ausschließen", sagt Marketing-Manager Johannes Burkart. Will heißen: Man muss kein Alpinkletterer, noch nicht einmal ein Bergwanderer sein, um jenen fantastischen Bergblick, dort oben am Osterfeldkopf, genießen zu können. Der AlpspiX sorgt dafür, dass man den Rausch der Höhe auch in Flip-Flops (oder im Rollstuhl) erleben kann. Einzige Bedingung: Man legt unten im Tal 22 Euro auf den Tisch, soviel kostet die Berg- und Talfahrt mit der Alpspitzbahn pro Person. Kinder zwischen sechs und 18 Jahren zahlen in Begleitung der Eltern drei Euro.
Für Bergpuristen mag das alles eine merkwürdige Vorstellung sein: Muss man sich das Weißbier auf dem Gipfel denn gar nicht mehr verdienen? Für die Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG ist es indes eine einfache Rechnung: „Im Sommer kommen rund 40 000 Gäste hoch", sagt Marketing-Mann Burkart. 40 000 Gäste ohne AlpspiX - mit dem AlpspiX hofft er auf einige Tausend mehr. Bei vergleichbaren Projekten hätten die Besucherzahlen um 30 Prozent zugenommen, sagt er. Kosten des Alpen-Balkons: eine niedrige sechsstellige Summe, so Burkart. „Der ganze Ort kann von dem Projekt profitieren", erklärt er. Denn: „Jedes zusätzliche Angebot ist Gold wert."
Stefan Sessler