Flixbus lässt Fahrgäste auf Bundesstraße raus - ein Brief zeigt, was sonst noch falsch läuft

Lange haben sich in Mittenwald die Anwohner der Flixbus-Haltestelle mit Kritik zurückgehalten. Jetzt zeigt ein Brief ans Ordnungsamt, was sie beschäftigt.
Update vom 16. Januar 2019: Für zumindest zwei Anrainer bleibt der neue Fernbus-Haltepunkt in Mittenwald eine verflixte Sache. Dreieinhalb Monate nach Inbetriebnahme der Sammelstelle an der Alpenkorpsstraße regt sich bei Karlheinz Kuchler und Georg Gruber wieder massiver Unmut. Die beiden haben an Ordnungsamtschef Josef Stieglmeier ein geharnischtes Schreiben verfasst. Dabei treten die zwei der Meinung entgegen, dass an der Fernbus-Haltestelle alles reibungslos funktioniert. „Leider ist dies in keiner Weise der Fall“, heißt es in dem Brief ans Rathaus. „Der einzige Grund, warum die Gemeinde von uns bisher nicht regelmäßig informiert wurde, ist, dass wir keinerlei Dialogbereitschaft erkennen können und zum Großteil aufgrund der gemachten Erfahrungen resigniert haben.“
Bürgermeister Adolf Hornsteiner (CSU) kann das ins Feld geführte Kommunikationsdefizit nicht ansatzweise nachvollziehen. „Ich find’s schon bemerkenswert“, meint der Rathauschef, „wir waren zigmal beisammen“. Hornsteiner beurteilt die Kuchler-Gruber-Kritik wie folgt: „Sie entspricht nicht der Wahrheit.“
Steuergelder in Höhe von 30 000 Euro wurden im Sommer 2018 für die strittige Haltestelle samt Wendehammer investiert. Dreimal am Tag macht der grüne Fernbus auf dem Weg nach Innsbruck dort einen Zwischenstopp, viermal hält er dort, wenn’s in die andere Richtung (München) geht.
Zu einem Unglück kam es hingegen, als ein Flixbus auf der Autobahn A1 zwischen Bremen und Hamburg plötzlich Feuer fing. Das berichtet nordbuzz.de*. Währenddessen muss sich Flixbus mit einer potenziellen Klage befassen, das OLG München verhandelt gerade darüber.
Mittenwald: Missstände an Flixbus-Haltestelle aufgelistet
Erst vergangene Woche geriet der Flixbus in die Schlagzeilen, weil Kunden wegen des massiven Schneefalls direkt an der Bundesstraße 2 zusteigen mussten (wir berichteten). Doch darauf zielt die Denkschrift von Gruber und Kuchler nicht ab. „Der überwiegende Teil unserer Befürchtungen ist für uns längst eingetroffen“, lassen sie die Gemeinde wissen. „Es wird rund um die Bushaltestelle eifrig uriniert, da keine Toilettenanlagen vorhanden sind.“
Hierauf antwortet der Bürgermeister: „Dass hier und da mal einer in den Wald geht, möchte ich nicht in Abrede stellen.“ Doch Hornsteiner zufolge gibt es „viele Bushaltestellen auf der ganzen Welt ohne WC-Häuschen“. Demnach sieht er für die Alpenkorpsstraße überhaupt keinen Handlungsbedarf. Was Kuchler und Gruber sicherlich nicht schmecken wird.
Sie führen auch das Thema Lärm ins Feld, der beginnt ihnen zufolge morgens vor sechs Uhr mit dem ersten Bus. „Die Leute werden mit dem Auto gebracht. Es wird auf unseren privaten Parkplätzen direkt vor unserem Schlafzimmer mit laufendem Motor geparkt und auf den Bus gewartet. Es werden Türen geschlagen, Müll und Zigarettenkippen landen auf unserem privaten Grundstück.“ Dass es Probleme mit Unrat dort oben gibt, bestreitet der Bürgermeister vehement. „Das entspricht nicht den Tatsachen.“
Eine Reise mit dem Flixbus von Warschau nach München wurde für eine Großmutter aus Freising und ihre Enkel zum Horrortrip - mit Zwischenstation im Krankenhaus.
Flixbus-Haltestelle in Mittenwald ist Kontrollpunkt von Schleierfahndern
Beim Thema Lärmbelästigung verweist Hornsteiner auf ein entsprechendes Gutachten. Darin heißt es laut Rathauschef, man bewege sich in puncto Lautstärke innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. „Im Dialog haben wir versucht, dass glaubhaft darzulegen.“ Was die „Alpenkorpsstraßler“ ebenfalls aufregt, sind die Aktionen der Schleierfahnder am Flixbus-Haltepunkt. „Während dieser Zeit laufen die Motoren oft circa 15 Minuten lang. Derartige Kontrollen in einem Wohngebiet finden wir nach wie vor unangebracht.“ Doch verhindern werden Kuchler und Gruber sie auch nicht können.
„Mittenwald ist zwar nicht turnusmäßig vorgesehen“, teilt ein Sprecher der Bundespolizei mit. Aber selbstredend solle der Haltepunkt „für taktisch günstige Kontrollen“ genutzt werden. Auch Hornsteiner betont, man habe mögliche Einsätze der Polizei auf der Alpenkorpsstraße nie bestritten. „Im Interesse aller ist es doch begrüßenswert, dass die Bundespolizei auch Präsenz zeigt und Straftaten aufklärt.“
Die Fronten zwischen beiden Seiten sind also nach wie vor verhärtet. Eine Annäherung – so gut wie ausgeschlossen. Georg Gruber kommt gegenüber dem Tagblatt zu dem süffisanten Schluss: „Wir haben den Schwarzen Peter.“
Flixbus schmeißt Gäste auf Bundesstraße raus - Polizei ermittelt
Mittenwald – Es schneit dicke Flocken, die Straße ist rutschig. Auf der Bundesstraße 2 auf Höhe Mittenwald bleibt ein grüner Bus stehen. Er blockiert die rechte Spur. Der Fahrer öffnet die Türen und lässt die Gäste einfach aussteigen. Mitten auf jener Straße, die am Samstag um 11.40 Uhr brechend voll mit Pkw-Kolonnen ist, die sich aus den Winterferien zurück nach Deutschland schieben. Der Verkehr staut sich, die Fahrgäste sind durchnässt vom aufgespritzten Matsch der Autos, die den Bus bei schlechter Sicht umfahren müssen.
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Ein Fahrgast, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, steht derweil mit seiner Begleitung an der kürzlich eröffneten Haltestelle Mittenwald an der Alpenkorpsstraße (wir berichteten). Eine Meldung leuchtet auf seinem Handy-Display auf. „Lieber Fahrgast, aufgrund starken Schneefalls ist es nicht möglich, die Haltestelle Mittenwald anzufahren.

Bitte begeben Sie sich zur Bundesstraße, wo Sie unser Fahrer einsammelt.“ Ungläubig stapfen die beiden den etwa 50 Meter langen Weg zur Umfahrung hoch. Mitten auf der stark frequentierten Straße, den Koffer hinter sich herziehend. Ein Gehweg ist an der Ausfahrt einer Schnellstraße natürlich nicht vorhanden. Eine gefährliche Situation, die nun ein juristisches Nachspiel für das Unternehmen haben könnte. Der Fahrgast hat die Polizei eingeschaltet.
Video: Heftiger Schneefall hat Deutschland weiter im Griff
Flixbus-Vorfall in Mittenwald: Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist
Es war wohl lediglich Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Das Fernbus-Unternehmen ist sich allerdings keiner Schuld bewusst. Laut den „internen Aufzeichnungen zeigen die GPS-Daten“, dass alle Fahrten am 5. Januar die neueingerichtete Schleife passiert haben, wie David Krebs, Pressesprecher des Unternehmens auf Tagblatt-Anfrage mitteilt.

Erst seit vergangenen Sonntag habe der Bus die Haltestelle witterungsbedingt nicht anfahren können, heißt es. Denn „generell ist das Zu- und Aussteigen nur an unseren offiziellen Haltestellen möglichund erlaubt“, erklärt Krebs. Diese Regelung entfalle nur, wenn die Behörde – in diesem Fall die Regierung von Oberbayern – „eine offiziell genehmigte Ersatzhaltestelle“ einrichtet.
Solch eine Erlaubnis liegt allerdings für die Bundesstraße 2 nicht vor, bestätigt Verena Gros, Pressesprecherin der Regierung von Oberbayern. Der Bus dürfe nur im Einzelfall eine Ausnahme machen, wenn das Betriebspersonal eine besondere Sorgfalt zum Schutz der Beförderten sicher stellt. Das war bei dem Verkehrsaufkommen auf der Bundesstraße sowie den Wetterbedingungen wohl nicht gegeben.
Laut Flixbus sei der Stopp gar nicht passiert: „Fahrgäste mit Ziel in Mittenwald wurden darüber informiert, dass witterungsbedingt die Haltestelle nicht angefahren werden kann. Sie wurden umgebucht und erhielten ein neues Ticket.“
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Reisende fotografieren Ausstieg aus Flixbus auf Bundesstraße
Die Bilder der Reisenden, die die Tagblatt-Redaktion erhalten hat, zeigen aber anderes. Es ist deutlich zu sehen, wie der grüne Bus an der Bundesstraße die Fahrgäste aus- und einsteigen lässt – und das obwohl die Ausfahrt zu dieser Zeit weitestgehend vom Schnee befreit war, wie die Fotos belegen. Auch die Marktgemeinde Mittenwald bestätigt, dass die Straße befahrbar war. „Die Zubringer werden gleichzeitig mit der Bundesstraße geräumt“, sagt Ordnungsamt-Chef Josef Stieglmeier.
So ein Vorfall sei auch für ihn zum ersten Mal vorgekommen. Die Zusammenarbeit mit dem Busunternehmen „hat bisher gut funktioniert“. Man stehe in Kontakt, nicht zuletzt, da die am 1. Oktober 2018 eröffnete Haltestelle vorab die Gemüter der Anwohner erhitzte. Diese beschwerten sich massiv über den neuen Bus-Stopp. Doch die befürchteten Probleme bezüglich Lärm-Emission und erhöhtes Verkehrsaufkommen blieben bislang aus, teilt Stieglmeier mit.
Bald könnte der Streit um die Haltestelle allerdings ein unerwartetes und unerfreuliches Ende finden. Flixbus soll die Streichung hunderter Städten planen.
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