„Ein Meilenstein“: Neues Kunstmuseum im Mittenwalder Postgebäude

Mittenwalds Gemeinderat schafft Baurecht für Kunstmuseum im ehemaligen Post-Gebäude. Etwa 150 Ausstellungsstücke sollen bald zu bewundern sein.
Mittenwald – Ralf Bues klaut ihn ihr kurzerhand. Den Vergleich, den Natalie Schorr einmal für das Vorhaben am Bahnhof gewählt hatte. Er passt einfach zu gut zum Projekt. Die Münchnerin lacht, lässt sich in dem Fall gerne bestehlen. „Es ist wie bei einem großen Festmahl“, sagt der Marktbaumeister im Büro von Bürgermeister Adolf Hornsteiner (CSU). Um das neue Kunstmuseum im verwaisten, alten Postgebäude in Mittenwald zu realisieren, müsse die Gemeinde den Tisch decken, ehe die Eigentümerin der Immobilie die Speisen bringt. Der erste Schritt ist nun getan. Wenige Stunden nach dem Treffen hat der Marktgemeinderat in seiner letzten Sitzung des Jahres einstimmig den Bebauungsplan geändert und Baurecht geschaffen.
Schorr saß als Zuhörerin im Ägidius-Jais-Saal im Rathaus, als die Ortspolitiker den bahnbrechenden Beschluss fassten, nutzte gleich die Chance, sich bei den Entscheidungsträgern zu bedanken. Auf diesen Moment musste sie lange warten. 2015 hatte sie das 1914 errichtete Gebäude erworben. Seither liefen die Planungen. Nicht immer das leichteste Spiel. Zahlreiche Gespräche mit dem Landesamt für Denkmalschutz waren nötig, unter dessen Oberhoheit der wuchtige Komplex steht.
Jetzt ist alles unter Dach und Fach, das Konzept fertig. Entworfen vom Planungsbüro Pool/Leber aus München, das als Sieger aus Schorrs initiierten Architektenwettbewerb hervorgegangen war.
„Das ist ein Gebäude mit Spuren“
Die Idee, wie das Museum gestaltet werden soll, deckte sich mit Schorrs Vorstellung. Hotel, Post, Rathaus – das seien früher die wichtigsten Gebäude in einem Ort gewesen, erklärt Isabella Leber. Mit seinem Standort am Bahnhof bekommt das Museum eine prominente Lage. Die Immobilie „wird wieder, was sie einmal war“: ein Haus von Bedeutung.
Für die neue Eigentümerin, eine gebürtige Hamburgerin, spielt der Bezug zum Gebirge eine wichtige Rolle. „Deshalb betrachten wir nicht nur das Haus, sondern das ganze Grundstück“, macht die Architektin deutlich. Das Post- und das Nebengebäude werden durch ein Empfangstrakt verbunden. Zum Einsatz kommen Steine aus dem Karwendel, sagt Leber. Während im Haupthaus auf 450 Quadratmetern und auf drei Ebenen Ausstellungsräume vorgesehen sind, warten im Bereich der Fahrzeughalle ein Café sowie ein Mehrzweckraum – zum Beispiel für kleine Veranstaltungen – auf die Besucher.

Erschlossen wird das Areal von der Bahnhofstraße im Süden mittels einer behindertengerechten Rampe sowie einer großzügigen Treppenanlage im Osten. Beide Eingänge, einer vorne, einer seitlich, treffen sich im Zentrum des Grundstücks.
Die Planerin sprüht nur so vor Euphorie. Denn das Museums-Gelände hält in der Zukunft viele Höhepunkte bereit. Zum Beispiel einen „versunkenen Garten“ im hinteren Bereich, von dem aus der Besucher auf die Dachterrasse gelangt. „Es gibt immer wieder Blickachsen ins Gebirge.“ Ganz nach Schorrs Geschmack. Doch auch ein Tiefhof unter dem zentralen Plateau soll entstehen. Als Raum für Sonderausstellungen. „Er gräbt sich in den Boden“, schildert Leber. Die Folge: ideale thermische Bedingungen für die Kunstwerke. Von dort geht’s über den Verbindungsteil wieder aufs Dach. „Wie eine Himmelsleiter“, sagt sie voller Begeisterung.
Alte Telefonzellen, Mutteruhr oder Seifenspender mit Post-Logo bleiben
Viele Liebe zum Detail steckt auch in den Plänen für den Innenbereich. Ein Bild der Kunstsammlerin – um welches es sich handelt, verrät sie noch nicht – bekommt einen zentralen Platz, wird im Herzen hängen und von oben beleuchtet. Der Denkmalschutz hat an dieser einen Stelle einen Durchbruch erlaubt. Eine Ausnahme. Zuviel will das Büro sowieso nicht verändern. Vielmehr die Geschichte aufleben lassen. „Es ist ein Gebäude mit Spuren“, betont Schorr. Es gibt zwar nicht mehr viele, aber die wenigen bleiben. Zum Beispiel die zwei alten Telefonzellen, die Mutteruhr oder die Seifenspender mit Post-Logo – all das wird ins Konzept integriert. Auch der Schriftzug an der Außenwand kommt nicht weg. „Die Alltagsgegenstände kommunizieren mit der Kunst“, sagt Leber.
Für Schorr geht ein Traum in Erfüllung. Ein Jahr lang hatte sie nach einem geeigneten Objekt für ein Museum gesucht. Die Frau eines von ihr beauftragten Raumausstatters hatte das Postgebäude im Internet gefunden. Die Münchnerin, die Mittenwald aus Kindheitstagen kennt, fuhr in die Marktgemeinde, besichtigte das historische Haus und verliebte sich. Etwa 150 Werke der klassischen Moderne möchte sie dort ausstellen. Nicht nur auf Expressionismus konzentriert, sondern auch Bilder der Romantik. Namen der Künstler behält sich noch für sich, es handle sich aber um eine hochwertige Sammlung.
Wie das Museum einmal heißen soll, weiß Schorr noch nicht. Auch mit einer groben Prognose für den Eröffnungstermin hält sie sich zurück. Zumal für den Baustart noch die Genehmigung des Landratsamts in Garmisch-Partenkirchen fehlt. Sie sagt aber: „Die Bilder warten schon.“
Auch Bürgermeister Hornsteiner scharrt bereits mit den Hufen. Er spricht von einem Meilenstein bei der Gesamtsanierung des Bahnhofareals. Dem Gemeindechef ist gleichwohl absolut bewusst, welch Strahlkraft ein solches Projekt haben kann. Zumal die neue Nutzung der Post gut in die Region passe. Er nennt Einrichtungen wie die in Murnau und Kochel, die weltweites Renommée genießen. Mittenwald reiht sich in die Museums-Landschaft ein. Eine Bereicherung für die Kommune, vor allem touristisch. Schorrs Traum „wird Mittenwald nach vorne bringen“.