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Feierstunde mit Störfeuern

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Mittenwald - Der „Stein des Anstoßes“ ist eingeweiht. Doch selbst bei dieser Zeremonie, bei der Gemeinde und Angreifbare Traditionspflege den Schulterschluss wagten, blieben Attacken nicht aus.

Viele hatten es im Vorfeld befürchtet: Während der Rede von Friedrich Burschel vom Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege verließen Manfred Benkel und Hans Peter Mayer vom Kameradenkreis der Gebirgstruppe sowie der Bundeswehr-General a. D. Winfried Dunkel die Aula der Mittenwalder Grund- und Hauptschule. Damit protestierten sie gegen die scharfen Angriffe Burschels.

Der Ebersberger war bei der Mahnmal-Einweihungsfeier in die alte Pfingstdemonstrations-Rhetorik verfallen, als er meinte, dass die Gebirgsjäger noch heute „in ungebrochener Tradition“ sich selbst an Pfingsten auf dem Hohen Brendten feiern würden, obwohl sie im Zweiten Weltkrieg für „die Verwüstung ganzer Landstriche“ verantwortlich zeichneten. „Ehre und Gehorsam bis zum Erbrechen“ würden auch heute noch für die aktiven Soldaten gelten, die am Hindukusch Deutschlands Freiheit verteidigten. Das war Kameradenkreis-Präsident Benkel zuviel. Erst draußen auf dem Schulgelände sah man den Oberst a. D. bei der offiziellen Segnung des Mahnmals wieder.

Mittenwalds Bürgermeister Adolf Hornsteiner, dem Burschel zuvor einen „mutigen Schritt“ attestierte, meinte daraufhin: „Danke für die Worte, die mich sehr nachdenklich stimmen.“ Es rumorte im Rathauschef gewaltig. Denn der Arbeitskreis hatte mit dieser neuerlichen Breitseite seinen Bemühungen um Ausgleich und Versöhnung einen gewaltigen Tiefschlag verpasst. „Wo ist der gemeinsame Geist?“ fragte Hornsteiner die 200 Zuhörer. Nicht zuletzt wegen weiterer Störfeuer in linken Internetforen appellierte der Bürgermeister an die zahlreich erschienen Vertreter der Angreifbaren Traditionspflege: Aussöhnung und Aufarbeitung könne nicht „mit Krawallmacherei, Ideologisierung und Pauschalisierung“ funktionieren.

Deutliche Worte an jene Gruppierung, die seit 2002 an Pfingsten nach Mittenwald reist und bei lautstarken Protestzügen die Verbrechen der Gebirgsjäger anprangert und deren Wiedergutmachung fordert. Am 31. Mai wurde das Ende der Kampagne in Mittenwald – von einem Teil der Demonstranten – ausgerufen. Der „Stein des Anstoßes“, der an die Greueltaten der Nazi-Barbarei erinnert, wurde der Gemeinde als Geschenk überlassen. Nach zähen Verhandlungen nahm Mittenwald die Stele mit Trümmern eines Hauses aus Falzano di Cortona an. Dieser italienische Ort wurde 1944 von deutschen Gebirgsjägern überfallen. 14 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Eben dieses Dorf repräsentierte gestern Tania Salvia, die Präsidentin des Gemeinderats. Falzano habe infolge des Massakers vom 27. Juni 1944 „endgültig seine Identität verloren“, schilderte die Italienerin, die in dem Denkmal „ein außerordentliches Zeichen der Hoffnung“ sieht.

KZ-Überlebender Maurice Cling, der Mittenwald von seinem Todesmarsch im April 1945 auf schmerzliche Weise kennenlernte und während seiner Ansprache mit den Tränen kämpfen musste, empfindet tiefe Genugtuung, dass das „Projekt der Entmenschlichung“ der Nazis gescheitert sei. „Diese Lektion darf niemals zur leeren Phrase verkommen.“

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