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Priester auf der Pirsch: Tierschützerin versteht‘s nicht

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Von: Christof Schnürer

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Pfarrvikar Korbinian Wirzberger in der Kirche
Ein Mann Gottes: Korbinian Wirzberger liebt nicht nur die Predigt, sondern auch die Jagd. © Hubert Hornsteiner Fotografie

Dass Menschenfischer zur Waffe greifen, entspricht wohl nicht dem gängigen Bild von einem Seelsorger – einem katholischen noch dazu. Pfarrvikar Korbinian Wirzberger zählt zu dieser seltenen Spezies. Kürzlich hat er die Jagdprüfung bestanden. Demnächst will er sich ein Gewehr zulegen. Für ihn kein Problem, aber für andere sehr wohl.

Mittenwald – Wenn Priester plötzlich auf die Pirsch gehen, dann kommt Tessy Lödermann mächtig ins Grübeln. „Ob die Schöpfung jagende Theologen braucht, wage ich zu bezweifeln“, sagt die bekannte Tierschützerin aus Garmisch-Partenkirchen. Die ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen zielt damit auf den Mittenwalder Pfarrvikar Korbinian Wirzberger (39) ab, der vor wenigen Tagen die Jägerprüfung bestanden hat.

Ein Mann Gottes, der einerseits von Nächstenliebe predigt und andererseits Wildtiere aufs Korn nimmt – passt das zusammen? Für Wirzberger schon. „Ich liebe meine Heimat, so wie sie gerade ist.“ Intakte Alm- und Weideflächen könne es nur geben, wenn Jäger „die Rolle des Predators“ übernehmen. „Das finde ich ethisch vertretbar.“

Ob die Schöpfung jagende Theologen braucht, wage ich zu bezweifeln.

Tessy Lödermann

In Sachen Jagd ist Wirzberger erblich vorbelastet. Sein Opa Lorenz Schranz aus Manching war nämlich leidenschaftlicher Waidmann. Als Wirzberger, der passionierte Notfallseelsorger, im Vorjahr einen schweren Verkehrsunfall (wir berichteten) und im Anschluss viel Resturlaub – sprich Zeit – hatte, erinnerte er sich wohl an den Großvater. Also kaufte der Priester entsprechende Fachliteratur, paukte sich Wissen ein und meldete sich mit einem Wallgauer Spezl zur Jagdprüfung an der Schule in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) an. Mit elf Mitschülern aus ganz Deutschland bereitete sich der Pfarrvikar in 16 Tagen ohne Pause auf die Prüfung vor. „Das war alles sehr praxisnah“, erzählt der Geistliche. Untersuchung von Innereien, mit dem Habicht auf Beizjagd oder Waffenkunde: Lauter Themenfelder, die Außenstehende nicht unbedingt mit einem katholischen Seelsorger in Verbindung bringen. Doch Wirzberger sagt: „Was ich über Tiere und Pflanzen gelernt habe, ist irre, man geht jetzt mit ganz anderen Augen durch den Wald“ – und künftig auch mit einer todbringenden Waffe, die gelegentlich zum Einsatz kommt.

Ist das mit dem fünften Gebot in der Heiligen Schrift (Du sollst nicht töten) zu vereinbaren? In diesem Kontext präzisiert Wirzberger, dass diese Textzeile falsch übersetzt worden sei. Es heiße: Du sollst nicht morden. „Und wenn man mit dem Tier vernünftig umgeht, hat das mit Mord nichts zu tun.“ Wirzberger weiß, dass seine Argumentation viele nicht nachvollziehen können. Daher versichert er: „Für mich ist eine reine Trophäenjagd unvorstellbar, dafür ist die Kreatur viel zu wertvoll.“ Hat für ihn eine solche eine Seele? „Ein Tier hat über die Instinkte hinaus noch weit mehr.“ Doch Wirzberger, der bereits bei den Miesbacher Gebirgsschützen das Gewehr schulterte, glaubt nicht, dass ein Tier beispielsweise ein Gewissen hat. Letztlich meint der Priester und Halter von Hündin Lucy: „Ich habe mir das lange überlegt. Ich kann mit dieser Entscheidung sehr gut leben.“

Vorbild Franz von Assisi

Tessy Lödermann, die sich seit Jahrzehnten ums Tierheim in Garmisch-Partenkirchen kümmert, schwirren dagegen Fragezeichen im Kopf. „Es wird immer Menschen geben, die auf die Jagd gehen. Doch bei einem Priester ist das gewöhnungsbedürftig.“ Mehr noch: „Es wird eine Reihe von Menschen geben, die das nicht nachvollziehen können.“ Für Lödermann sollten Geistliche dem Heiligen Franz von Assisi, der die Tier- und Pflanzenwelt wie kein anderer liebte, als Vorbild und moralischem Kompassgeber nacheifern. „Ein Gottesmann ist nämlich auch ein Diener der Schöpfung.“ Im selben Atemzug geißelt Lödermann die Schnellkurse, wie sie neuerdings in diversen Jagdschulen angeboten werden. Sie verneint entschieden, dass Teilnehmer in nur 16 Tagen über genügend Wissen etwa in puncto Wildbiologie oder Schussverhalten verfügen. „Und die gehen dann nach draußen in den Wald!“

Tierschützerin Tessy Lödermann bei einer Rede
Kann die Sichtweise von Wirzberger nicht nachvollziehen: Tierschützerin Tessy Lödermann. © FOTOPRESS THOMAS SEHR

Selbst der katholische Pfarrer von St. Martin in Garmisch, Josef Konitzer, tut sich schwer, die Sichtweise seines jungen Glaubensbruders nachvollziehen zu können. „Das passt nicht in mein Welt- und Schöpfungsbild.“

Dabei fällt ihm eine Reise-Anekdote ein: Als er bei einem Italienurlaub von einem Einheimischen einen zappelnden Fisch geschenkt bekommt, wirft er ihn kurzerhand zurück ins Wasser. Er tat ihm einfach leid. Denn für Konitzer, der gelegentlich Fleisch isst, hat ein Tier sehr wohl eine Seele. „Aber selbstverständlich!“ Der Pfarrherr drückt es folgendermaßen aus: „Alles, was lebt, kann Informationen verarbeiten.“

Daher empfiehlt er seinem Amtsbruder aus Mittenwald, lieber zur Bibel als zur Waffe zu greifen. Denn für Konitzer ist klar, dass Wirzberger sein Hobby auch zweifelnden Gemeinde-Schäflein erklären muss. Auf jeden Fall sieht der Geistliche aus Garmisch in der Jagdleidenschaft des Kollegen eine „Grenzwanderung“. Während sich Konitzer also relativ deutlich distanziert, wählt der Partenkirchner Pfarrer Andreas Lackermeier einen anderen Weg. Er sagt dazu einfach gar nichts.

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