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180 Bergschafe stürzten in den Tod - nach tragischem Unglück ist nichts mehr wie zuvor in Mittenwald

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Von: Josef Hornsteiner

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Wird’s heuer nicht geben: Wegen des Unglücks werden die verbliebenen Tiere nicht auf die Bärnalpe und zurück über den Gjaidsteig nach Mittenwald getrieben.
Wird’s heuer nicht geben: Wegen des Unglücks werden die verbliebenen Tiere nicht auf die Bärnalpe und zurück über den Gjaidsteig nach Mittenwald getrieben. © Josef Hornsteiner

Keine Feier wird es geben, auch keine Prämierung. Nachdem 180 Bergschafe im Karwendelgebirge bei Mittenwald in den Tod gestürzt sind, wird vieles anders sein heuer.

Mittenwald – Es ist nur noch eines, das zurückkommen wird. Das weiß Claudia Brandner schon jetzt. Nur ein Bergschaf von ihr und ihrem Mann Franz hat den verheerenden Hangrutsch vom 1. Juli im Karwendelgebirge überlebt, dem mindestens 180 Tiere zum Opfer fielen. Die Betreiberin des Werdenfelser Schafwoll-Ladens an der Mittenwalder Hochstraße empfindet auch eineinhalb Wochen nach dem tragischen Unglück tiefstes Mitgefühl für die Bergschafhalter. 

Schafe im Karwendelgebirge in Tod gestürzt: Große Unterstützung nach Unglück

Sie hat nicht nur selbst Tiere, sondern steht auch beruflich mit den Züchtern in engem Kontakt. Das Material für die Produkte aus ihrem Laden bezieht sie hauptsächlich aus der Wolle der Isartaler Huftiere. Um zu helfen, hat sie jetzt eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Für jedes verkaufte Schaffell in ihrem Laden geht die Hälfte des Betrags an die Forst- und Weidegenossenschaft. 

Seit wenigen Tagen läuft die Aktion erst, hat sich aber bereits wie ein Lauffeuer im Ort herum gesprochen: „Es sind auch schon Urlaubsgäste gekommen, um mit ihrem Kauf für das Unglück zu spenden.“ Peter Reindl, der Chef der Mittenwalder Forst- und Weidegenossenschaft, ist mehr als dankbar für „die breite Unterstützung“, die er und seine Schaferer in diesen Tagen erhalten. Auch andere Bergschaf-Vereine im Landkreis haben bereits Geldbeiträge geschickt. „Diese werden jetzt unter den betroffenen Haltern verteilt“, sagt Reindl. Damit sollen neue Tiere angeschafft werden.

Schafe abgerutscht: Bürgermeister von Mittenwald spricht über Unglück

„Ein Unglück in dieser Dimension hat es bei uns noch nie gegeben“, ist sich auch Bürgermeister Adolf Hornsteiner der Tragweite der alpinen Tragödie bewusst. Er stand seit dem Massensterben permanent mit den Hirten, Schafhaltern und der Forst- und Weidegenossenschaft in Kontakt. Das Drama hat ihn tief bewegt, weshalb es auch für ihn und seinen Gemeinderat ein Bedürfnis war, schnell und unbürokratisch zu helfen. „Wir werden der Genossenschaft einen finanziellen Beitrag zukommen lassen.“ Die Erstmeldung zum Unglück, bei dem 180 Schafe in den Tod gestürzt sind, können Sie hier nachlesen.

Schließlich ist die Mittenwalder Almwirtschaft auch für den Fremdenverkehr ein wichtiger Werbefaktor. Die gepflegte Kulturlandschaft ist mitunter ein Grund, weshalb es überhaupt so gerne Sommerfrischler in die Bergwelt des Karwendels zieht. 

Allerdings wird jener schwarze Montag den diesjährigen Almsommer stark verändern. Die verbliebenen Tiere werden nicht wie in der Vergangenheit üblich über den berüchtigten Gjaidsteig zur Weidefläche Bärenalpl und wieder zurück getrieben. Beim traditionellen Almabtrieb verzichten die Schaferer des Weiteren auf ein Fest. Auch eine Prämierung wird es nicht geben. Niemandem ist zum Feiern zumute. 

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Nach Tragödie bei Mittenwald mussten Schafe identifiziert werden

Lediglich die Schafscheid muss passieren. Dann kommen die Tiere zu ihren Besitzern zurück. „Erst dann können wir endgültig sagen, wie viele Tiere wir insgesamt verloren haben und wie viele Halter betroffen sind“, sagt Reindl. Denn die Identifizierung der Kadaver war nicht nur furchtbar, sondern auch schwierig. Die teils arg zerschundenen Körper konnten lediglich durch ihre Ohrmarken den Besitzern zugeordnet werden, doch längst nicht alle. Aus den Anhängern tropfte Blut, und es stank enorm, als sie in Mittenwald nahe der Kläranlage zwischengelagert wurden. Von dort aus brachte ein Lastwagen die Kadaver ins Konfiskat. 

Seither klingelt das Telefon von Peter Reindl ununterbrochen. Unzählige Presse-Anfragen sind bei ihm eingegangen. Jeder wollte wissen, wie es um die Bergschaf-Herde in Mittenwald bestellt ist. Und immer wieder die eine Frage: Wie geht es jetzt weiter? 

Auch Brandner hat sich das gefragt, seit Jahren unterstützt sie mit ihrer Arbeit die Bergschafzüchter. Deshalb war es für sie eine Selbstverständlichkeit, für die gute Sache zu spenden: „Viele Schafhalter sind schon älter und haben nur wenige Tiere. Wenn da alle sterben, wird der es sich vielleicht überlegen, ob er überhaupt weiter macht“, befürchtet sie. 

Rund 70 Schafzüchter gibt es. Deren Herden variieren zwischen 4 und 70 Stück. Somit zählt Mittenwald zu den Hochburgen der bayerischen Bergschafhaltung. Rund 1600 Tiere sind es insgesamt. Etwa 500 werden jährlich im Sommerhalbjahr ins Gebirge getrieben. Die Almbewirtschaftung umfasst auch das Bärnalpl, wo normalerweise bis zu 250 Schafe zur Entlastung der Hauptalm aufgetrieben werden. Das letzte größere Unglück passierte 1999, als beim Rücktrieb zwölf Schafe verunglückten.

In einer Stallung in der Gemeinde Scheuring, Ortsteil Haltenberg, ist am Montagmorgen (6. Januar) ein Feuer ausgebrochen. 200 Schafe verendeten in den Flammen.

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