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Sprit-Wahnsinn wegen Ukraine-Krieg: Extreme Preisdifferenz - Autofahrer stürmen Tirol-Tankstellen an der Grenze

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Dank Ukraine-Krieg noch verlockender: Teilweise 40 Cent Unterschied liegt zwischen den deutschen Spritpreisen (r.) und Tirol (l., hier: Scharnitz).
Dank Ukraine-Krieg noch verlockender: Teilweise 40 Cent Unterschied liegt zwischen den deutschen Spritpreisen (r.) und Tirol (l., hier: Scharnitz). © Wolfgang Kunz/Hendrik Schmidt/dpa

Wenige Kilometer liegen Mittenwald und Scharnitz auseinander – und doch trennen sie Welten, zumindest was den Sprit betrifft. Bei einem Preisunterschied von über 40 Cent zieht es Autofahrer vom Oberen Isartal förmlich hinüber zu den Tankstellen auf dem Seefelder Plateau.

Mittenwald/Scharnitz – Der Ukraine-Krieg sorgt in der Bundesrepublik an den Tankstellen für neue Rekordpreise. Geradezu glücklich kann sich derjenige schätzen, der momentan im deutsch-österreichischen Grenzgebiet lebt. Das bayerische Mittenwald und der Tiroler Nachbarort Scharnitz liegen keine fünf Kilometer voneinander entfernt. Doch was den aktuellen Spritpreis betrifft, trennen die beiden Welten. Während rund um Mittenwald die Verbraucher nur noch frustriert vor der Zapfsäule stehen, herrschen jenseits der Porta Claudia beinahe schon paradiesische Zustände: Gelobtes Land Tirol.

Ukraine-Krieg: Bis zu 43 Cent Unterschied bei Sprit-Preisen zwischen Bayern und Tirol

Ein Beispiel: Am Mittwoch gab es zwischen 11.30 und 13 Uhr pro Liter Unterschiede von 43 Cent (Superbenzin) beziehungsweise 35 Cent (Diesel-Kraftstoff). An der letzten Tankstelle vor der Grenze – Pächterin ist seit rund vier Jahren Ulrike Lercher – kosteten vorgestern der Liter Super 1.99,9 Euro und Diesel 1.87,9 Euro. Trotz dieser Summen machen noch genügend Kunden einen Zwischenstopp – was wohl in erster Linie am österreichischen Autobahn-Pickerl liegt. „Rund 30 Prozent tanken, 70 Prozent halten wegen der Vignette“, teilt Servicekraft Gisela Nun mit. Daneben gibt es noch viele Durchreisende, die sich mit Proviant oder Zeitschriften eindecken. Mit anderen Worten: Es bleibt immer noch genug Arbeit. „Klar haben wir in Stoß- und Ferienzeiten mehr Kunden“, meint Nun.

Tankstelle in Scharnitz in Tirol
Verlockende Spritpreise an der Tankstelle in Scharnitz © Wolfgang Kunz

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Doch eines hat sich definitiv nicht verändert: Die meisten oder eigentlich alle Einheimischen rauschen an der Shell-Station vorbei und tanken am südlichen Ortsende von Scharnitz. Das sei schon so gewesen, als die Spritpreise in der BRD noch keine astronomischen Höhen erreicht hatten, bestätigt Kassiererin Nun.

Sie freut sich, als an der Grenztankstelle auf der Fahrt in den Urlaub eine Familie aus Starnberg mit gleich zwei Autos anhält – wohl mehr aus Unwissenheit. „Ich fahre normalerweise ein Elektroauto“, berichtet der Familienvater. „Deshalb habe ich gar nicht so genau recherchiert, dass der Sprit in Scharnitz um so viel billiger ist.“

Benzin-Tourismus nimmt wegen Ukraine-Konflikt deutlich zu - Massenansturm in Scharnitz (Tirol)

Und tatsächlich: Ungefähr 900 Meter weiter an der Tankstelle Reinpold kosten an diesem Aschermittwoch in den Faschingsferien der Liter Super 1.57,9 und Diesel 1.53,9 Euro. Herrscht andernorts Grabesruhe, pulsiert an dieser Station das Leben. „Es kommen bedeutend mehr Autofahrer als bisher, und neben den Kunden aus dem Oberen Isartal tanken jetzt auch Leute aus Walchensee und Kochel bei uns“, bestätigt Heinz Stranka aus Partenkirchen, der in Scharnitz seit drei Monaten an der Kasse steht. Er berichtet, dass die Spritpreise im benachbarten Seefeld noch höher seien als hier bei ihm.

An der Zapfsäule freut sich derweil ein junger Zeitsoldat aus Mittenwald über die „noch moderaten“ Preise. „Ich weiß, wie viel ich hier beim Tanken spare.“ Am Vortag zahlte er beim Besuch bei seiner Freundin in Chemnitz noch 20 Cent mehr für einen Liter Diesel. Ein Mittenwalder wiederum wünscht sich, das Thema Sprit im Grenzgebiet nicht allzu hoch aufzuhängen. „Sonst gleicht Österreich noch auf Druck der EU seine Preise an.“

Selbst wenn das geschehen würde, wäre der Kraftstoff im Nachbarland immer noch günstiger. Hauptgrund dafür ist die geringe Steuerbelastung dort. So gibt es zum einen keine CO2-Abgabe – in Deutschland werden dafür pro Liter Benzin sieben Cent fällig –, zum anderen ist die Mineralölsteuer in Österreich spürbar niedriger. Sprich: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind dort ungleich günstiger.

„Besser war es nur, weil wegen Corona die Grenzen nach Tirol geschlossen waren“

Was beispielsweise die „Karwendelgarage Brennauer und Hübler“ an der Partenkirchner Straße in Mittenwald mit voller Wucht zu spüren bekommt. Am Aschermittwoch überschreitet zur Mittagszeit dort der Liter Super die Zwei-Euro-Marke (2.00.9). Der Diesel klettert auf 1.88,9 Euro. „Unsere Lage in Grenznähe ist schon seit Jahren beschissen“, findet Mitinhaber Josef Brennauer deutliche Worte. „Etwas besser war es zwischenzeitlich nur, weil wegen Corona zeitweise die Grenzen nach Tirol geschlossen waren.“

Noch in den 1970er Jahren hatte Mittenwald sage und schreibe zehn Tankstellen. Übrig geblieben ist davon nur die Karwendelgarage. Doch Reichtümer verdient man dort mit Kraftstoff nicht. „Bei uns halten die meisten Autofahrer nur noch auf dem Weg in den Urlaub. Teilweise tanken sie lediglich für fünf Euro und fahren dann nach Scharnitz zum Volltanken“, erzählt Brennauer. „Die paar Geschäftsleute, die bei uns auf Firmenkosten volltanken und dann gemütlich in den Skiurlaub weiterfahren, fallen dabei nicht wirklich ins Gewicht.“ Wolfgang Kunz

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