Und es ward Licht in Mittenwald – vonwegen

Strahlend schön soll sie sein, auch wenn’s dunkel ist. Das wünscht sich einer im Falle der Mittenwalder Pfarrkirche von Herzen: Gemeinderat Florian Lipp. Das Gotteshaus, eine Perle des Barock, aus Gründen der Energie-Ersparnis unerleuchtet zu lassen, ist für den „Dauberweiß“ nicht mehr länger hinnehmbar.
Mittenwald – Florian Lipp (Freie Wähler) platzt langsam der Kragen. „Wir sind doch ein Fremdenverkehrsort“, poltert der „Dauberweiß’n-Flori, wie ihn die Einheimischen in Mittenwald nennen, neulich im Gemeinderat. Seit einigen Wochen darf unterm Karwendel die barocke Pfarrkirche St. Peter und Paul auf Geheiß der Bundesregierung nachts nicht mehr angestrahlt werden. Und das bringt Lipp auf die Palme. „Ein Unding, dabei haben wir den schönsten Kirchturm der Welt.“ Straßenlampen gedimmt, Nikolauskirche dunkel, Pfarrkirche dunkel, bald alles dunkel!? Gemeinderat Lipp reicht’s, zumal die Energieknappheit offenbar bei weitem nicht die Dimension annimmt, wie ursprünglich befürchtet. „Also muss der Kas irgendwann auch wieder gegessen sein.“ Falls die Pfarrkirche weiter unbeleuchtet bleibt, will Lipp eine Abstimmung im Gemeinderat herbeiführen – und sich möglicherweise über Vorgaben des Bundes hinwegsetzen.
Reizwort EnSikuMaV
Wobei wir bei der eigentlichen Ursache für Lipps miese Stimmung sind: Allein schon der Name ist ein richtiger Knaller: Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung – kurz: EnSikuMaV. Da macht Stromsparen doch erst richtig Spaß – oder? Paragraf 8, Absatz 1 dieses 2022 im Zeichen des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Energieknappheit beschlossenen bundesweiten Regelwerks besagt folgendes:
„Die Beleuchtung von öffentlichen Nichtwohngebäuden und Baudenkmälern von außen mit Ausnahme von Sicherheits- und Notbeleuchtung ist untersagt. Ausgenommen sind kurzzeitige Beleuchtungen bei Kulturveranstaltungen und Volksfesten sowie die Beleuchtung anlässlich traditioneller und religiöser Feste.“
Somit muss selbst St. Peter und Paul in der Tourismusgemeinde Mittenwald dunkel bleiben – und zwar bis voraussichtlich April. Solange ist die EnSikuMaV noch in Kraft. Das weiß auch Bürgermeister Enrico Corongiu (SPD). Doch ihm liegt zudem noch eine andere Erkenntnis vor: „Mit der Energie ist es nun doch nicht so dramatisch, wie ursprünglich befürchtet.“ Aber ein übergeordnetes Regelwerk einfach ignorieren? „Man kann darüber reden, aber prüfen lassen würde ich es wollen“, vertröstet Corongiu im besten Politikerdeutsch Gemeinderat Florian Lipp.
Bevor Kommunen von der Regierung zum Energiesparen aufgerufen wurden, erstrahlte die Mittenwalder Pfarrkirche in den Abendstunden bis 22 Uhr. Ganz früher war die Zeitschaltuhr auf Mitternacht getaktet. Ausnahmsweise illuminierte man die Pfarrkirche in der Weihnachtszeit während des Christkindlmarktes – so wie es die EnSikuMaV vorsieht.
Doch wie viel spart sich der Markt Mittenwald letztlich an Energie? „Ein paar tausend Kilowattstunden sind das schon im Jahr“, verdeutlicht Matthias Pöll, der Gemeindewerkschef. Dank der nach wie vor günstigen Mittenwalder Stromtarife zahlt die öffentliche Hand im Falle der Kirchenbeleuchtung zwischen 1000 und 1500 Euro weniger per anno.