Vor der Sondersitzung zum ÖPNV in Murnau: Allianz pro Omobi bröckelt

Die Sondersitzung des Murnauer Gemeinderats am kommenden Montag könnte für den Rufbus Omobi das endgültige Aus bringen. Danach ist es möglich, dass die Unterstützer, die einen Bürgerantrag eingebracht haben, getrennte Wege gehen. Für den Seniorenbeirat ist ein Bürgerbegehren weiter eine Option, für den Wirtschaftförderverein eher nicht.
Murnau – Die Reihen pro Omobi sind nicht mehr so fest geschlossen wie in den zurückliegenden Wochen. Die Allianz der Willigen, die sich zu großen Teilen aus dem Seniorenbeirat und dem Wirtschaftsförderverein zusammensetzt und die sich für eine Fortführung des Rufbusses in Murnau stark machte, scheint zu bröckeln. In Windeseile hatte man zwar 1416 Unterschriften für einen Bürgerantrag gesammelt, nötig gewesen wären lediglich 125. Der hat zum Ziel, dass der Gemeinderat seinen Beschluss, den er in nicht öffentlicher Sitzung am 26. Januar zur Beendigung des Rufbusses Omobi zu Ende Juni 2023 gefasst hatte, widerruft und eine Weiterführung des Omobi bis Ende 2025 öffentlich beschließt. Eine gemeinsame Linie für weitere Aktionen, sollte sich die Kommunalpolitik gegen den Ortsbus entscheiden, der seit Juli 2020 durch Murnau cruist, gibt es nicht.
D-Day ist der kommende Montag. In einer Sondersitzung im Kultur- und Tagungszentrum will sich der Gemeinderat nochmals – vor wahrscheinlich großem Publikum – mit dem Omobi beschäftigen. Wie der Punkt vier der Tagesordnung ausgehen dürfte, steht fast schon fest. Dazu muss man kein großer Mathematiker sein, sondern nur zwei und zwei zusammenzählen können. Die Fraktionen Mehr Bewegen, Freie Wähler, CSU, Grüne und SPD stehen zu der Entscheidung, den Omobi zum Termin Ende Juni 2023 auslaufen zu lassen. Sie vereinen 18 Stimmen im Murnauer Gemeinderat auf sich, der 24 Sitze zählt. Lediglich die Bürgermeisterpartei ÖDP/Bürgerforum und Rathaus-Chef Rolf Beuting positionierten sich zuletzt pro On-Demand-System.
Paschen: Faktor Zeit ist das Problem
Bleibt das Gros des Gemeinderats bei seiner Haltung, dann deutet viel darauf hin, dass zumindest der Seniorenbeirat, dem Rainer Paschen vorsteht, den nächsten Schritt geht. „Wir denken dann über ein Bürgerbegehren nach“, sagt Paschen. Nicht die neun Prozent der wahlberechtigten Murnauer, die man zu einer Unterschrift animieren muss, bereiten Paschen Kopfzerbrechen, den Faktor Zeit hat er als Problem ausgemacht. Immerhin endet der Vertrag mit dem Unternehmen Omobi, das im Murnauer Ortsteil Neu-Egling zu Hause ist, bereits in etwas mehr als drei Monaten. Geklärt werden müsse Paschen zufolge auch, wie das Unternehmen reagiert, wenn es bei einem möglichen positiven Bürgerentscheid den Betrieb erst wieder im Juli oder August aufnehmen könnte.
Die Option Bürgerbegehren ist für Peter Wiesendanger, Vorsitzender des Vereins für Wirtschaftsförderung, nicht mehr der Weisheit letzter Schluss. „Was demokratisch beschlossen wird, werden wir akzeptieren“, sagt er. Wiesendanger respektiert auch das Vorgehen der Gruppe um Paschen. Dort säßen eher die „Hardliner. Der Seniorenbeirat hat einen wesentlich größeren Auftrag als wir“.
Mit der finanziellen Situation des Omobi, die die Mehrheit des Marktgemeinderats kritisch sieht, hat sich Paschen eingehend beschäftigt. Dass vor allem an der Förderung, die der Freistaat gewährt, herumgemäkelt wird, will ihm nicht in den Kopf. „Alles wird gefördert.“ Als Beispiel nennt er die Prämien für E-Autos, die ebenfalls aus Steuergeldern stammen.
„Rosi“ ist größtes On-Demand-Projekt im Freistaat
Nicht nur Murnau erhält Zuschüsse aus den Finanztöpfen des Freistaats. Auch andere Kommunen leisten sich Rufsysteme und kommen in den Genuss von Zuwendungen. Ein Beispiel: Der „Rosi“-Shuttle ist seit 1. Mai 2022 im Landkreis Rosenheim unterwegs. Rosi ist bayernweit das größte On-Demand-Projekt im ländlichen Raum. Bayern unterstützt es mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 65 Prozent der laufenden Kosten im ersten Jahr, die in den kommenden fünf Jahren schrittweise reduziert wird und dann in eine Dauerförderung in Höhe von 35 Prozent übergeht.
Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zeigte sich beim Startschuss, bei dem er und Ministerpräsident Markus Söder einen Scheck über 1,05 Millionen Euro im Gepäck mitführten, begeistert: „Im ländlichen Raum braucht es andere Angebote als in der Stadt. Rosi ist ein Vorbild für andere Kommunen. On-Demand-Rufbusse holen die Menschen auf Abruf in unmittelbarer Nähe ihres Wohnorts ab und bringen sie auf direktem Weg zum Arzt, zum nächsten Supermarkt oder zum Bahnhof. Damit schaffen wir eine ganz neue und flexible Form von Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger und Feriengäste im ländlichen Raum.“
Die Unterstützung für den Omobi steht auf anderen Füßen. Laut Rathaus-Sprecherin Annika Röttinger erhielt die Gemeinde über das bayerische Förderprogramm „Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum“ im ersten Jahr des Omobi 70 Prozent des Defizits erstattet. „Bis 2025 reduziert sich dieser Betrag auf 40 Prozent.“
Beispiele wie „Rosi“ sind der Stolz von Bruno Ginnuth, Mitgründer und Chef von Clevershuttle, das mittlerweile zum Konzern Deutsche Bahn gehört und das vor einigen Wochen auch ein Angebot für Murnau, wie aus Gemeinderatskreisen zu erfahren war, abgegeben hatte. On-Demand-Systeme sind Ginnuth zufolge Teil der mobilen Zukunft. „Das ist ein Qualitätssprung im öffentlichen Nahverkehr“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Am Erfolg sehe man, dass der ländliche Raum bereit für innovative Angebote sei. Auf dem Land lohne sich der Betrieb solcher Shuttles am meisten, wenn auch nicht im betriebswirtschaftlichen Sinne.
In jedem Fall, heißt es in einer Studie der Denkfabrik „Agora Verkehrswende“, werde der Bedarfsverkehr „deutliche Mehrkosten“ bringen. Die Kommunen müssten sich meist auf einen „dauerhaften Zuschuss zum Betrieb“ einstellen. Bisher machen Personalkosten den größten Posten in der Rechnung aus, anteilig viel höher als in großen Bussen oder Bahnen mit vielen Passagieren pro Fahrzeug. Autonomes Fahren könnte den Preis drücken. Laut Michael Krail vom Fraunhofer ISI wäre das „der entscheidende Gamechanger“. (mit Material von Spiegel Online).
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