1. Startseite
  2. Lokales
  3. Garmisch-Partenkirchen

Ein Rennen mit zwei großen Siegern

Erstellt:

Kommentare

null
© Peter Kornatz

Garmisch-Partenkirchen - Eine Kuriosität gab's beim Zugspitz-Extremberglauf: Der Kenianer Kosgei ist als Erster im Ziel, doch Michael Barz gewinnt – und teilt das Preisgeld.

Michael Barz reißt die Arme nach oben, umarmt die Helfer, die ihn mit der Medaille empfangen. „Ich hab’ gewonnen, gewonnen“, ruft er. Wer ihn in diesem Moment sieht – empfindet Mitleid. Dieser arme Top-Athlet, der beim Zugspitz-Extremberglauf vom ersten bis zum sechsten Platz schon jeden Rang belegt hat, dieser ehrgeizige Läufer mit den langen Beinen aus dem Allgäu – er wird so unglaublich enttäuscht sein. Wenn er feststellen muss: Er hat gar nicht gewonnen. Der Kenianer Isaac Torotich Kosgei ist längst vor ihm über die Ziellinie gelaufen. Und Barz hat sich auf den 16,61 Kilometern und 1836 Höhenmetern so verausgabt, dass er das nicht mitbekommen hat. Der Arme.

So denkt der Betrachter gestern, während Barz weiter jubelt und mit einem erneuten, begeisterten „Doch, ich hab’ gewonnen!“ eine Helferin zu überzeugen versucht.

Was kaum einer weiß: Als die Top-Läufer, darunter Kosgei, nicht einmal zwei Stunden zuvor am Ehrwalder Martinsplatz in einer Reihe ganz vorne auf den Start warteten – da stand Barz irgendwo im Pulk. Er hatte noch ein dringendes Bedürfnis gehabt, musste aufs Klo. Und als die Favoriten losstürmten, setzte sich Barz erst langsam in Bewegung. Deutlich später überquerte er die Startlinie, an der die elektronische Zeitmessung aktiviert wird. Kurzum: Barz jubelt zu Recht. Nach 1:50.23,0 Stunden ist der Allgäuer im Ziel, der Kenianer braucht 34,7 Sekunden länger. Dabei ging er als klarer Favorit ins Rennen.

Organisator Peter Krinninger und sein Team hatten sich entschieden, den Lauf um 1,3 Kilometer und 400 Höhenmeter zu verkürzen: Das Ziel wurde wegen des Schnees am Zugspitzplatt und nicht am Zugspitzgipfel aufgebaut. Eine wie Streckenrekordhalterin Petra Summer (Österreich) hätte die Höhenmeter gerne bewältigt, erhoffte sich die Bergspezialistin und Viertplatzierte doch, dort aufzuholen. Eine andere begeistert die Verkürzung: „Ganz ehrlich: Ich hatt’ keine Lust mehr“, sagt die Damen-Zweitplatzierte Karin Freitag (Österreich) im Ziel, lachend und überglücklich über ihr Ergebnis: Mit 2:09.59 ist sie sechs Minuten langsamer als Silvia Olejarova (Österreich).

Auch Kosgei sollte die Verkürzung zugute kommen. Bis zum Zugspitzplatt hat er 2012 deutlich geführt. Am Gipfelanstieg brach er ein, wurde noch von Woddy Schoch und fast sogar von Barz überholt.

Geschichte wiederholt sich: Auch 2013 hat der Kenianer mit den Schneefeldern zu kämpfen. Immer wieder rutscht er aus. Von oben beobachten ihn die Zuschauer, wie er sich die letzten Meter quält. Ständig schaut er um, die Verfolger Barz und Michael Fischer (Italien), kommen näher. Wie nahe, das ahnt er nicht.

Laut Zeitmessung also ist Barz der Sieger des Zugspitzlaufs 2013. Dass er ein wahrlich großer Sportler ist, das beweist er nach dem Rennen bei der Siegerehrung: Er teilt sein Preisgeld von 800 Euro mit dem Zweitplatzierten Kosgei. So hat der Zugspitzlauf zwei Sieger – und eigentlich viele hunderte mehr.

Von über 1000 gemeldeten Teilnehmern – so viele wie nie – sind 918 gestartet. 913 (801 Männer und 112 Frauen) beenden das Rennen, 45 bei den Nordic Walkern. Und je weiter sich die Athleten von den Bestzeiten entfernen, umso euphorischer jubeln sie. „Bist du deppert, ist des geil“, ruft ein Österreicher nach gut drei Stunden Schinderei. So und ähnlich klingen zahllose Läufer vor und nach ihm. Sie haben sich gequält und gelitten. Einige taumeln und torkeln im Ziel, die Helfer der Bergwacht Garmisch-Partenkirchen – auch die Kollegen aus Ehrwald und Grainau sind im Einsatz – betreuen sie. Aber: Sie haben es geschafft: Sie feiern sich. Zu Recht.

Wie Rosi Bayer. Die Mittenwalderin lächelt selig, als sie ins Ziel trabt. Ob sie den ganzen Weg gelächelt habe? „Ja, es ist so schön“, sagt sie. Ihr siebter Zugspitzlauf ist ein ganz besonderer: Bayer feiert ihren 59. Geburtstag.

Einer Frau aber ist kaum zum Feiern zumute: Lokalmadatorin und vierfache Zugspitzlauf-Siegerin Ellen Clemens. Schon unterhalb der Ehrwalder Alm dreht sie wegen Problemen im Oberschenkel um – und beendet damit ihre 25-jährige Wettkampfkarriere (Bericht folgt). „Das macht es umso enttäuschender“, sagt die Garmisch-Partenkirchnerin. Eine Revanche werde es aber nicht geben.

Anders bei Kosgei. Er werde hart trainieren, kündigt er an, um 2014 zu gewinnen. Und dann wirklich.

Katharina Bromberger

Auch interessant

Kommentare