Franke habe sich vorbereitend Lockstaedts Bilder angeschaut, berichtet er, und war „verblüfft über die zum Teil starken visuellen Parallelen ihrer Arbeiten“. Stellt man etwa das Bild „Kind of Blue“ von Gabriele Lockstaedt der Fotografie aus Frankes Serie „Nightwalk“ gegenüber, dann verschwimmen hier Grenzen. Obwohl völlig unterschiedliche Gattungen, Materialien, Ideen, Motivationen und Herangehensweisen, könnte man meinen, die Künstler hätten sich eigens für diese Ausstellung „verabredet“, um künstlerische Parallelen zu erzeugen.
Der Raum, in denen die direkte Gegenüberstellung von Werken beider Künstler erfolgt, ist nun der „braune“ geworden. Einige von Frankes Fotografien aus seiner Serie „Stamm“ (2012–2016) sind hier zu sehen – einzelne oder ganze Gruppen von Baumstämmen. Es gehe hier um Themen wie Abstammung, aber auch „Clanbildung“, um das Gefühl von Zugehörigkeit, sagt Franke. Er taste – etwa den Stamm – in verschiedenen Aufnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg ab und führe diese im Anschluss zusammen, erläutert er. Fotografie sei somit als Zeugnis einer Bewegung zu verstehen, einer Energie, die sich auf das Foto übertrage. Er sehe oftmals bei seinen Motiven nicht mehr das Reale, sondern vielmehr die Philosophie dahinter. Und dennoch sei es „Natur pur“, mit der er arbeite. Ob einer oder mehrere Baumstämme, ob einzelne Zweige oder Baumkronen.
Auch die Malerin Gabriele Lockstaedt aus Pitzling arbeitet mit dem Naturprinzip. Nirgendwo ist bei ihr konkret „ein Blättchen“ oder „Zweig“ zu sehen. Dennoch sind ihre Bilder an die Natur angelehnt. Sie arbeite schließlich mit dem gleichen Mittel wie die Natur selbst, sagt die Künstlerin: mit der Erosion. Pigmente, die auf bestimmte Art und Weise miteinander verbunden werden, auch unter Verwendung einer speziellen Klebetechnik, mehr wolle sie „gar nicht verraten“.
Seit 40 Jahren wirkt sie in ihrer ganz eigenen, selbst entwickelten Technik. Ein Pinsel sei dabei nur mal im Spiel, um ihn in einen großen Farbkübel zu tunken und die Farbe damit im Anschluss gegen das Bild zu „spritzen“. Der Betrachter entdeckt bei ihren Werken viel „Jenseits des Sichtbaren“. Und betrachtet man etwa nur einen kleinen Bildausschnitt, ist fast nicht mehr zu unterscheiden: Ist es Fotografie oder gemalt?
Beide Künstler arbeiten, wenn auch auf ganz andere Art und Weise, mit Abstraktionen der Natur, sind sich jedoch einig: Sie wollen weder abmalen noch abfotografieren. Franke arbeitet mit Techniken wie übereinander angelegte Mehrfachbelichtungen, mit dem Spiel von kurzen oder längeren Verschlusszeiten, mit der gleichzeitigen Bewegung der Kamera und erzeugt damit Verfremdungen.
Im „roten Raum“ hat Lockstaedt eine „sakrale Präsentation“ angelegt. „Normalerweise gibt es nie Hängungen, die mittig sind“, sagt sie. Und hat eines ihrer „roten Bilder“ mitten auf dem Boden platziert, um den „sakralen Effekt“ zu erzeugen. Die Farbe Rot stehe in diesen Bildern für die Zerstörung der Natur: „Die Erde blutet“. An der Wand hängen einzelne „Segmente“ – symbolhaft für das „Beackern“ und das „Zerlegen“ der Natur.
Genau gegenüber: der „grüne Raum“, mit Bildern aus Frankes Serie „Daydream“. Dieser Raum symbolisiere eher die heile Welt, die ursprüngliche Natur, eine Einheit. Es geht nicht um Zerstörung, sondern um das Leben, das Atmen. Verstärkt wird genau das durch die „luftige Hängung“, die Bilder, gedruckt auf japanischen Seidenpapier, die im Raum zu schweben scheinen.
Keinen „Farbtitel“ bekommt der „Raum der Baumkrone“, wie ihn Franke benennen würde, mit Aufnahmen seiner (bekanntesten) Serie „Tree Crowns“ – auf dem Kopf stehende Baumkronen. Verbunden mit einer Einladung, dem Naturwesen Baum mit dem Herzen statt dem Verstand zu begegnen.