Dabei bringt die feine Stickkunst der Pelikan-Fahne von Waldburg ins Schwärmen: Handwerkstechnik, die teilweise „verlorengegangen“ sei. Zum Beispiel ‚Nadelmalerei‘, die Landschaften entstehen lässt, Kettenstiche, die die Pelikanfedern pludrig erscheinen lassen, oder die feine Silberstickerei, bei der über Papp- oder Schnur-Elemente genäht wird, um dreidimensionale Ranken entstehen zu lassen.
Aber nicht nur das Sticken, auch die Restaurierung der Stickereien erfordert Präzision: „Für diese Arbeit braucht man Nadel, Faden, gute Augen und viel Geduld“, sagt von Waldburg. Wohl auch Leidenschaft und Ausdauer, wenn es darum geht, in unzähligen Färbe-Versuchen mit minutiös abgemessenen Farbpigmenten und Essenzen – die jeweiligen Mengen hat von Waldburg fein säuberlich in ihrem persönlichen Färbebuch notiert – endlich den richtigen Ton für den Nähfaden zu erhalten. Oder um mit gebogenen chirurgischen Gefäßnadeln und einem Hauch von Seidenfädchen lose Zwirne mit Millimeterstichen zu fixieren. „Futzeln“, nennt die Restauratorin das.
Neben sakralen Objekten oder textilen Ausstattungen alter Schlösser hat von Waldburg auch an Museums-Objekten gearbeitet. Zwei sind ihr besonders in Erinnerung: das Gewand von Kaspar Hauser, „mit der Stelle links, wo die Stichwunde war“. Und Priestergewänder aus dem KZ Dachau, Ornate, die sich die Geistlichen selbst genäht haben: „mit Material aus dem Kleiderlager. Und dann hat man ein Messgewand in der Hand, für das das Sommerkleid eines Kindes umgearbeitet wurde. Das greift einen an.“ Schwierige Momente, erinnert von Waldburg.
Die Textil-Leidenschaft packte die in Biberach geborene Restauratorin in den USA, wo sie nach dem Abitur ein Jahr bei einer Familie lebte. „Die Mutter war Papierrestauratorin. Ich habe immer ihre Fachzeitschriften gelesen – und bin an den Textil-Artikeln hängengeblieben.“ Es folgt eine Lehre zur Paramentenstickerin, dann drei Jahre Praktikum im Bayerischen Nationalmuseum: „Danach durfte ich loslegen.“ Restaurator ist kein geschützter Beruf, eine Standardausbildung existiert nicht. Inzwischen kann man Restaurierung aber studieren. Wer Textilrestaurator werden will, muss ein einjähriges Praktikum im Textilhandwerk vorweisen und kann sich dann an der Uni bewerben – was im deutschsprachigen Bereich allerdings nur in Köln, Bern oder Wien möglich ist.
Von Waldburg ist seit 1986 selbstständige Textilrestauratorin. Nicht immer leicht, sagt sie. Krankt die Wirtschaft, werde immer zuerst an der Kultur – und entsprechend ihrer Erhaltung – gespart. Außerdem waren da noch ihre zwei Kinder, die versorgt werden mussten. „Ich habe damals oft nachts gearbeitet.“
Die 65-Jährige ist eine der wenigen, die diese Profession ausüben. „In Bayern kann man die selbstständigen Textilrestauratoren an zwei Händen abzählen.“ Dabei sei Textilrestaurator eine gute Kombination aus wissenschaftlicher und handwerklicher Arbeit, inzwischen auch anständig bezahlt – und zunehmend gefragt. Denn an Nachwuchs fehle es auch hier. In Köln gebe es in manchen Jahren nur zwei Bewerber. Es mangele wohl an der Wertschätzung für Textil im Allgemeinen, sagt von Waldburg: „Wir müssen ja nichts mehr dafür zahlen. Und verlieren so jeglichen Bezug dazu.“
Sie selbst wird wohl in etwa zwei Jahren mit der Textilrestaurierung abschließen „und etwas Neues wagen“, sagt von Waldburg. Was genau, sei noch nicht spruchreif. Aber es wird wohl wieder etwas ‚Stoffliches‘ sein.