Der in Landsberg aufgewachsene Vater dreier Kinder lebt in Augsburg, ist aber noch oft in Landsberg unterwegs, wo ein teil seiner Familie lebt. Um den 90-minütigen Film überhaupt realisieren zu können, muss Molina auf einige Arbeitsaufträge verzichten – sonst bleibt zu wenig Zeit. Ein Crowdfunding hilft: Schon nach wenigen Tagen hat er über 5.000 Euro zusammen, am Ende sind es 7.500 Euro. „Weit mehr als erwartet“, freut sich Molina. „Jetzt kann ich freier am Projekt arbeiten, ohne finanziellen Druck.“
Das Engagement für das Projekt erwächst aus Molinas Jugend in Landsberg, wo er von 1986 bis 2002 gelebt hat. „Das Label ‚Hausmusik‘ hat mein Erwachsenwerden begleitet.“ Regelmäßig trifft er sich mit Freunden im Discy, dem Plattenladen mit Strahlkraft weit über Bayern hinaus. Sie erkunden auch die Plattenabteilung, hören die Scheiben vor Ort. „Man will ja nicht immer den Plattenspieler der Eltern belegen.“ Dem Schüler Molina fallen besonders die Independent-Cover ins Auge. Zum Beispiel die anfangs noch wörtlich handgemachten von Hausmusik – man denke nur an die 1.000 gefalteten Fledermausflügel (siehe Artikel oben). Aber auch die in dem Label versammelten Bands bieten Metal- und Grunge-Hörer Molina „eine ganz andere musikalische Richtung“. Bei den Jugendkulturtagen 1998 hört und sieht er zum ersten Mal die Weilheimer Band „Notwist“ live, sein erstes Hausmusikfestival erlebt er in der „Quere“, einem ehemaligen Konzert-Musikclub in der Saarburgkaserne: „Eine Art Jugendzentrum“, sagt der 41-Jährige. Das Ambiente und die Musik beschreibt er als „schrammelig, unperfekt, kleine, abseitige Sachen in allen Schattierungen. Das hat mich umgehauen.“
Ein Schulfreund von Molina ist selbst auch in einer Band und bringt im Jahr 2000 sein erstes Album bei Hausmusik raus. Molina macht dafür das Plattenartwork, auch für das zweite Album des Freundes ist er zuständig – und lernt so Hausmusik-Gründer Wolfgang Petters kennen. „Es war einfach klasse, für ein Label, das mich so begeistert, selbst etwas zu schaffen.“ Petters, der samt Label im Jahr 2000 nach München umzieht, lernt er als offenen und zugewandten Menschen kennen: „Das Ganze hat so für mich ein Gesicht bekommen.“ Petters lässt ihm bei der Gestaltung freie Hand. Lediglich die technischen Druckanforderungen muss Molina erfüllen. Mithilfe der damaligen Bildprogramme bringt der damals noch Schüler eine verfremdete Metrostation in Prag auf das erste Cover, das zweite ist weiß-grau, zeigt Computer, Kabel passend zur elektronisch experimentellen Musik auf dem Album.
Dass Hausmusik 2007 den Vertrieb einstellte, bekommt Molina zunächst nicht mit. Er wird zum ersten Mal Vater, Musiklabel treten deshalb vorerst einmal in den Hintergrund. Erst einige Jahre später, als er eine Platte kaufen will, realisiert er, dass Hausmusik so nicht mehr existiert. Bei Recherchen im Internet findet er relativ wenig Informationen über die Geschichte des Labels, das seine Jugend begleitet hat und dessen Einzigartigkeit er festhalten will: in einem Film. Er hakt bei Petters nach, ob es so etwas bereits gebe, was Petters verneint. „Seither habe ich das im Kopf gehabt“, sagt Molina. „Ein Zeitdokument über Hausmusik.“
Aber erst 2019 macht er sich konkret an die Arbeit. Er führt Interviews mit Petters, Hausmusik-Mitmacherin Marion Epp, mit Discy-Inhaber Edmund Epple und auch mit vielen Musikerinnen und Musiker der Bands, die unter Hausmusik veröffentlicht haben. „Ich mag solche Dokumentationen, in denen die Menschen Anekdoten erzählen, abseits der nackten Daten.“ Mit Petters spricht er über drei Stunden lang.
Pro Interview hat Molina rund eineinhalb Stunden Filmmaterial, jeweils bis zu 300 Gigabite Daten. „Am aufwendigsten ist der Schnitt, das Zusammenstellen der vielen einzelnen Schnipsel.“ Dazu kommt dann noch die Rahmenhandlung, die der Musikjournalist Franz Dobler erzählend liefert. Dobler kennt Hausmusik, auch weil er bei diversen Festivals des Labels Lesungen gehalten hat. „Das alles in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, war wirklich eine Herausforderung“, sagt Molina und lacht. Der Film habe jetzt fünf Terrabite, sagt er Ende September. Aber da ist „Hausmusik“ ja noch in Arbeit und auf dem Weg zum 90-Minüter.
Dieser 90-Minüter wird am 25. November im Stadttheater zu sehen sein. Aber Molina hat noch weitaus mehr Material: „Ich denke, dass ich den Film noch verlängern werde.“ Es ist ein Film, den sich Molina selber gerne anschauen würde. Mit dokumentarischem Anspruch, aber nicht nur Fakten aneinanderreihend. „Ich will den Zeitgeist von damals zeigen, als alles noch ohne Internet ablief, per Telefon. Ich will zeigen, was die Personen gedacht haben. Und was ihr Antrieb für dieses außergewöhnliche Projekt war.“