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Kindergarten lehnt kleine Sarah (3) ab

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Karotten schälen ist für die dreijährige Sarah mit Down-Syndrom kein Problem – in den Kindergarten, in dem schon ihr Bruder Jay ist, darf sie aber nicht. Das ärgert Papa Dietrich Lorenz. © Andreas Leder

Miesbach - Ein Vater will sein Kind mit Down-Syndrom in den örtlichen Kindergarten schicken – und wird abgewiesen. Der Fall zeigt, dass das Zusammenleben von Kindern mit und ohne Behinderung häufig nur auf dem Papier existiert.

Sie ist geschickt, klettert gerne, ist freundlich und kooperativ – und trotzdem will der katholische Kindergarten St. Josef in ihrem Heimatort Neuhaus (Landkreis Miesbach) die dreijährige Sarah Lorenz nicht aufnehmen. „Wir können keine Kinder aufnehmen, die besondere Betreuung brauchen“, sagt Sabine Schmitz, Leiterin des Kindergartens.

Sarahs Vater sieht das allerdings etwas anders. „Sie ist so weit entwickelt wie vielleicht ein Kind unter tausenden mit Down-Syndrom“, sagt er. Ein Arzt habe das bestätigt. Den Kindergarten kenne sie schon durch ihren Bruder Jay, der ihn auch besucht. Außerdem, argumentiert Lorenz, habe Bayern doch ein Inklusionsgesetz verabschiedet, das Kindern mit Behinderung Zugang zu allen Schulen und Bildungseinrichtungen ermöglichen soll.

Dieses Gesetz gilt allerdings nur für den Schulbesuch, nicht für die Kinderbetreuung. Hier ist das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz wirksam, kurz „BayKiBiG“. Das sieht zwar vor, dass behinderte Kinder gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung betreut werden – allerdings können Kindergärten nach eigenem Ermessen auch Kinder ablehnen.

So wie im Fall der kleinen Sarah. „Das ist leider keine Ausnahme“, sagt Klaus Wenzel, Präsident des Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Seiner Erfahrung nach seien aber gerade Kinder mit Down-Syndrom relativ leicht zu integrieren. „Erste Kinder mit Down-Syndrom haben gerade ihr Abi gemacht“, so Wenzel.

Dennoch hat der BLLV-Präsident für beide Seiten Verständnis: „Wenn die Kindergärtnerin das Kind aus guten Gründen ablehnt, spricht das für ihre Verantwortungsbereitschaft“, sagt Wenzel. Kindergärten müssten teilweise große Arbeit leisten, obwohl es am Personal fehle. „Es muss aber der politische Ehrgeiz sein, alle Kindergärten so auszustatten, dass sie Kinder mit Behinderung problemlos aufnehmen können“, so Wenzel.

Derzeit spielen in Bayern in jedem zehnten Kindergarten behinderte mit nicht-behinderten Kindern – laut Sozialministerium seit 2007 eine Steigerung um 68 Prozent. Der Freistaat will diesen Anteil ausbauen und den Betreuungseinrichtungen einen „ausdrücklichen Inklusionsauftrag“ auf den Weg geben.

Im Fall von Sarah verweist das Erzbischöfliche Ordinariat München darauf, dass 100 von 550 Kita-Einrichtungen des Erzbistums bereits Kinder mit Behinderung aufnehmen. Der Gedanke der Inklusion besteht aber eigentlich darin, dass behinderte Kinder alle Einrichtungen besuchen können. „In den meisten Fällen ist dafür nicht genug Personal da“, räumt Erzbistum-Sprecherin Bettina Göbner ein.

Ein Argument, das Gerhard Dix, Sozialreferent des Bayerischen Gemeindetags, nicht gelten lässt. Denn im BayKiBiG ist unter anderem festgehalten: Wenn ein Kindergarten ein Kind mit Behinderung aufnimmt, erhält er für das Kind vom Staat das 4,5-fache der finanziellen Förderung.

„Wenn man Inklusion will, darf man Behinderte nicht vor der Tür stehen lassen“, so Dix. Ausnahmen könne man nur dann machen, wenn die Behinderung so schwer wiegt, dass eine andere Einrichtung besser geeignet wäre – oder von dem Kind eine Gefahr für andere Kinder ausgeht. Das müssten dann Sozialhilfeträger oder Psychologen feststellen. Aber aus der Praxis sagt auch Dix: „Kinder mit Down-Syndrom sind normalerweise sehr gut zu integrieren.“

Die kleine Sarah geht jetzt probeweise in einen Integrations-Kindergarten in Agatharied. Dort kann sie auch mit nicht-behinderten Kindern spielen. Nur ihr Bruder, der ist nicht da. Der geht in den „normalen“ Kindergarten.

Von Moritz Homann und Alexandra Korimorth

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