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Zu Besuch beim Kerzenzieher von Brunnthal

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Von: Max Wochinger

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Alle guten Dochte kommen von oben: Imker Roland Hofbauer hat sich ein raffiniertes System überlegt, um die Baumwollfäden in die Kerzen zu stecken.
Alle guten Dochte kommen von oben: Imker Roland Hofbauer hat sich ein raffiniertes System überlegt, um die Baumwollfäden in die Kerzen zu stecken. © Max Wochinger

Jeden Tag bis zum 24. Dezember stellen wir Menschen vor, die für erhellende Momente sorgen oder Licht ins Dunkel bringen. Heute: der Kerzenzieher von Brunnthal.

Brunnthal – Roland Hofbauer kann sich nichts Schlimmeres vorstellen, als untätig zu sein. Deshalb wacht der Rentner meist früh am Morgen auf, kleidet sich um und fährt zu seiner Holzhütte in Brunnthal. Hier, eingezuckert von Schnee, steht seine Kerzenmacherei. Der Imker bringt das Bienenwachs auf Temperatur, greift sich einen Docht – los geht die Adventsproduktion. Hofbauer, 66, ist Kerzenzieher. Er pflegt ein jahrhundertealtes Handwerk.

Schon seit fast 40 Jahren gießt und zieht er Kerzen. „Ich habe das Imkern als Ausgleich zur Arbeit angefangen“, sagt der ehemalige Busfahrer. Das Kerzenmachen komme dann automatisch. Auch als Rentner springt Hofbauer manchmal als Busfahrer ein – wenn nicht, steht er in seiner Hütte oder auf dem Weihnachtsmarkt. Dort verkauft er seine Kerzen.

100 Prozent Handarbeit: Hofbauer gießt das Wachs in eine Form – daraus wird später ein Tannenzapfen.
100 Prozent Handarbeit: Hofbauer gießt das Wachs in eine Form – daraus wird später ein Tannenzapfen. © Max Wochinger

80 unterschiedliche Formen bietet er an, Engerl, Eulen, Pyramiden – oder Tannenzapfen. So einen gießt er auch heute: Hofbauer nimmt die Form aus Silikon und steckt einen Docht durch. Dann greift er zum Topf mit dem warmen Bienenwachs im Wasserbad und füllt es in die Form. Anderthalb Stunden später ist der Zapfen ausgehärtet. An manchen Tagen verbringt er so zehn Stunden in der Hütte, die nach dem bitter-süßen Geruch von Bienenwachs riecht.

„Ein guter Docht ist das A und O“, sagt der Imker. Eine ganze Kiste mit den Baumwollfäden besitzt Hofbauer, für jede Kerzenform der Richtige. Der Tüftler hat ein cleveres Zugsystem gebaut, um wenig mit den Dochten hantieren zu müssen.

Und natürlich kommt es auch auf das Bienenwachs an: Es muss geklärt sein und soll möglichst wenig Pollen enthalten. „Das ist eine Riesenarbeit“, sagt Hofbauer. Er kauft es lieber beim Großhändler, als Granulat, 50 Kilo pro Jahr. Diese Menge könnten seine Bienenvölker nicht herstellen; ein Volk produziert pro Jahr rund ein Kilogramm Wachs. Klingt nicht nach viel, für die Bienen aber ist es enorm viel Arbeit.

Kerzen, Kerzen, Kerzen: Der Rentner bietet an Weihnachten 80 verschiedene Formen an.
Kerzen, Kerzen, Kerzen: Der Rentner bietet an Weihnachten 80 verschiedene Formen an. © Max Wochinger

Viel Zeit und Mühen kostet auch das sogenannte Kerzenziehen. Dabei wird ein Docht immer wieder ins Wachsbad gesteckt und ausgehärtet; der Vorgang wird so oft wiederholt, bis die gewünschte Dicke erreicht ist. „Für Christbaumkerzen braucht man fast 20 Umläufe“, erklärt Hofbauer. Eine ganze Stunde sei er damit beschäftigt – eine echte Handarbeit. Nur noch wenige Menschen pflegen die Tradition, Hofbauer ist einer von ihnen.

Bei ihm zu Hause brennen freilich auch seine Kerzen. Nur hat Hofbauer in der Adventszeit keine Zeit, das Kerzenlicht zu genießen. Er ist ständig auf Achse, auf dem Weg zum nächsten Weihnachtsmarkt, zur Holzhütte oder im Linienbus. An Heiligabend aber schlägt die große Stunde seiner Kerzen, dann brennen sie auf dem geschmückten Christbaum. „Das gehört für mich einfach dazu“, sagt der Kerzenzieher von Brunnthal.

Zur Serie: Jeden Tag bis zum 24. Dezember öffnet der Münchner Merkur ein Adventstürchen unter dem Motto „Lichtblicke im Advent“. Vorgestellt werden Menschen, die für erhellende Momente sorgen oder Licht ins Dunkel bringen.

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