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Streit-Thema Isartrails: Frust und Freude der Mountainbiker

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Von: Martin Becker

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Wege wie diese sind im Isartal offiziell gesperrt. Den Grund dafür verstehen weder Mountainbiker (hier Sarah Wälde) noch Spaziergänger, weshalb viele der Verbotsschilder auf keine Akzeptanz stoßen.
Wege wie diese sind im Isartal offiziell gesperrt. Den Grund dafür verstehen weder Mountainbiker (hier Sarah Wälde) noch Spaziergänger, weshalb viele der Verbotsschilder auf keine Akzeptanz stoßen. © Thomas Rychly

Kann es beim Streit-Thema Isartrails ein Mit- statt ein Gegeneinander geben? Im Isartal jedenfalls verhärten sich die Fronten zwischen Mountainbikern und Naturschützern.

Landkreis - „In der öffentlichen Wahrnehmung sind wir kategorisch im Unrecht“, sagt Oliver Heinrich (48), bei der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) Sprecher der Interessensgemeinschaft München & Umland. Zusammen mit Sarah Wälde (40), der Vorsitzenden des MTB-Clubs München, und ihrem Mann Jörg Schmidtmann (44), Rennsporttrainer des 450 Mitglieder starken Vereins mit fast 100 Jugendlichen, zeigt Oliver Heinrich dem Münchner Merkur zwischen Großhesseloher und Grünwalder Brücke die Problemzonen der sogenannten Isartrails.

Isartrails: Ironische Botschaften

Verbotsschilder stehen einige herum, manche warnen vor Hangrutschen, andere wirken sinnfrei. Und werden entsprechend ignoriert – ein Mountainbiker nach dem anderen schiebt sein Rad bei unserem Fototermin um die Absperrungen. Aber auch Spaziergänger halten sich nicht an die Sperrgitter. Unterhalb der „Grünwalder Einkehr“ hat jemand mit einem wasserfesten Stift ironisch seine Meinung auf eine der rot-weißen Barrieren geschrieben: „Fahrt oben und lasst euch vom Auto totfahren. Das ist dann sicherer!!“

Sarah Wälde, promovierte Molekularbiologin, entspricht so gar nicht dem Klischee vom Natur-Rowdy auf zwei grobstolligen Reifen. Die 40-Jährige versucht, zwischen den Fronten zu vermitteln: „Verbote bedeuten Konflikte. Aber man darf die Menschen nicht aus der Natur aussperren. Deshalb wünschen wir uns endlich ein klar definiertes Lenkungskonzept mit nachvollziehbaren Regeln, auch für Fußgänger. Denn die können genauso ein Vogelgelege zertreten wie ein Mountainbiker.“

Lenkungskonzept wurde nie umgesetzt

Solch ein Lenkungskonzept gibt es schon, seit 2017. Mühsam ausgearbeitet von DIMB sowie den Naturschutzbehörden in Stadt und Landkreis. 74 Kilometer Wege sind damals analysiert worden zwischen der Marienklause beim Tierpark Hellabrunn in München und der Dürrnsteiner Brücke am Kloster Schäftlarn. 25 Kilometer dieses Wegenetzes sind als Trails für Mountainbiker vorgesehen, Schutz- und Ruhezonen für Tiere und Pflanzen eingezeichnet. Das Problem: Bis heute, also vier Jahre später, ist das Konzept seitens der Behörden nicht umgesetzt worden. „Das ist höchst frustrierend“, sagt Oliver Heinrich, „zumal wir Mountainbiker uns durch diesen Kompromiss sogar verschlechtern. Aber wir kommen ja nicht mal an den Punkt, eine freiwillige Lösung nachzuweisen. Das stimmt mich extrem traurig.“

Naturverträglich Radeln: Das sind die Wegeregeln der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB)


Die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) verweist generell auf ihre „Trail Rules“ (Wegeregeln):

1. Nur auf Wegen fahren und nie querfeldein; lokale Wegesperrungen durch Forstwirtschaft, Viehtrieb und Belange des Naturschutzes respektieren.

2. Keine Spuren hinterlassen: Blockierbremsungen verursachen Wegeschäden. Nicht jeder Weg verträgt jedes Bremsmanöver – die Fahrweise ist dem Untergrund anzupassen.

3. Unachtsamkeit, auch nur für wenige Sekunden, kann einen Unfall verursachen: Geschwindigkeit der Situation anpassen – in nicht einsehbaren Passagen können jederzeit Fußgänger, Hindernisse oder andere Biker auftauchen, weshalb man in Sichtweite anhalten können muss.

4. Andere Naturnutzer respektieren und nicht erschrecken, ein Passieren rechtzeitig ankündigen und Tempo reduzieren.

5. Rücksicht auf Tiere nehmen – Weidezäune stets schließen und rechtzeitig zur Dämmerung den Wald verlassen.

6. Vorausschauend planen (Wetter, Pannenausrüstung, Zeitfenster); ein Helm kann schützen, ist aber keine Lebensversicherung.

Lange Autofahrten ins Alpenland dienen dem Klimaschutz auch nicht

Immerhin, aus dem Landratsamt heißt es auf Nachfrage des Münchner Merkur, man beabsichtige, „die notwendigen Voraussetzungen zur Umsetzung des Projekts ,Natur-Erholung Isartal im Süden von München‘ bis Ende des Jahres 2021 zu schaffen“. Oliver Heinrich bleibt skeptisch angesichts des langen Vorlaufs. Vor allem habe das Landratsamt es durchs Nichtstun versäumt, Vorbehalte gegenüber Mountainbikern auszuräumen: „Einige Naturschützer würden am liebsten eine große Käseglocke übers Isartal stülpen. Aber sie überblenden ihre Vision nicht mit der Realität.“

Tatsächlich kurven an diesem lauen Frühlingsabend sehr viele Mountainbiker über die Isartrails, auch viele Familien mit Kindern. „Die brauchen Angebote vor Ort. Denn wenn die gleichen Leute sich stundenlang ins Auto setzen, um einen Bikepark am Alpenrand zu erreichen, ist dem Natur- und Klimaschutz nicht gedient“, sagt Sarah Wälde. Jörg Schmidtmann ergänzt: „Attraktive MTB-Reviere wie der Bombenkrater in Grünwald sind weggefallen, aber es wurde versäumt, adäquaten Ersatz zu schaffen. Gerade Kinder und Jugendliche wollen ein bisschen Action statt langweiliger Forststraßen.“

Aktuelle Situation sorgt für negatives Image

Was passiert, wenn Kanalisierung unterbleibt, zeigen uns die drei Mountainbike-Experten. Statt einer klaren Trailstruktur fasert diese aus, nach rechts und links. Schnell entwickelt sich so ein Geflecht aus neuen Trails, wie ein Spinnennetz. Zweimal ermahnt Sarah Wälde unterwegs andere Mountainbiker, doch bitte auf dem Haupt-Trail zu bleiben. „So, wie es momentan läuft, schadet es der Natur – und uns selbst.“ Weil ein negatives Image entsteht.

Die große Hoffnung, dass in puncto Isartrails Frieden einkehrt, ruht nun auf dem Lenkungskonzept. Der Ball liegt beim Landratsamt, die Schilder dort in der Schublade. „Wichtig ist“, sagt Oliver Heinrich, „dass die Lenkungsmaßnahmen wissenschaftlich fundiert sind, sonst werden sie nicht akzeptiert.“

Auf dem Rückweg passieren wir eine Familie, eins der Kinder hat einen technischen Defekt. Spontan halten die Vertreter der Mountainbike-Szene an, leisten fachliche Hilfe und machen die Gangschaltung wieder flott. Ein Bild mit Kontrastcharakter zum Klischee des MTB-Egoisten, das Mountainbike-Gegner gern zeichnen.

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