Rote Bruchlandung: SPD verliert nach 40 Jahren das Rathaus - Das sagen die Partei-Oberen

Es ist ein herber Schlag für die SPD Haar: Nach 40 Jahren verliert sie das Rathaus an die CSU. Amtsinhaberin Müller ist auch einen Tag nach der Stichwahl noch „fassungslos“ und findet deutliche Worte.
Haar – 51,5 Prozent der Wähler haben sich in der Stichwahl für Andreas Bukowski (CSU) entschieden. Konkurrentin Gabriele Müller (SPD) muss bitter enttäuscht den Rathaussessel räumen. 40 Jahre SPD-Rathauspolitik in Haar sind damit Geschichte.
„Nur“ 265 Stimmen gaben den Ausschlag pro Bukowski. Das hört sich nach nicht viel an, ein Blick in die 20 Briefwahlbezirke zeigt jedoch, dass Bukowski 17 davon für sich entscheiden konnte. Eine Deutlichkeit, „die mich selbst auch überrascht hat“, sagt Bukowski (40), der seit fünf Jahren in Haar wohnt.
Neu-Bürgermeister Bukowski: Blockdenken ist passé
Seine Nacht war kurz, die Liste der Gratulanten riss nicht ab. „Ein merkwürdiges Gefühl, wenn man mit seiner Freude und seinem Glück alleine vor dem Handy sitzt, weil man nicht gemeinsam feiern kann“, sagt Bukowski. Und auch wenn er das Gefühl, Bürgermeister von Haar zu sein „erst einmal verdauen und sacken lassen muss“, ist er sich seiner Aufgaben bewusst. Er strebt einen breiten Konsens im Gemeinderat an. Blockdenken sei passé, man stehe bei den Themen Energiewende, verträglichem Wachstum, der ökologischen Gestaltung der Gewerbegebiete eh auf einer Seite. „Es geht nicht um eine Partei, sondern das Wohl der Gemeinde und deren Bürger“, sagt Bukowski.
Dass die Gewerbesteuer-Einnahmen für ihn dominierend sind und er auch hier zügig antreibt, sei gerade in Corona-Zeiten wichtiger denn je. Auch wenn derzeit keineswegs abzusehen ist, wie sich der Haushalt entwickelt, seien Kontinuität und Steigerung der Einnahmen die Basis der Handlungsfähigkeit.
In der Zeit bis zur konstituierenden Sitzung will er sich Rat bei Bürgermeister-Kollegen holen, aber auch bei seinem Vater, der viele Jahre im Münchner Kommunalreferat leitend tätig war. Und natürlich stützt er sich auf die gut funktionierende Verwaltung.
Herber Schlag für SPD-Ortsverein
Des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leid. „Sie können sich ausmalen, dass mir das Wahlergebnis nicht gefällt“, sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Alexander Zill. Aber er respektiere die Entscheidung der Haarer und gratuliere dem Kollegen Bukowski, „der ein gutes Geschick, glückliches Händchen und einen langen Atem braucht“. Mit Müller gehen 40 Jahre SPD im Rathaus zu Ende. Ein herber Schlag für den Ortsverein.

Amtsinhaberin Gabriele Müller (SPD) ist weniger enttäuscht oder sauer, „einfach nur fassungslos“, sagte sie am Morgen nach der Stichwahl. Aus ihrer Sicht hat sie sich sechs Jahre sehr intensiv um junge wie alte Haarer gekümmert, viel Entscheidendes auf den Weg gebracht. Sie kann es kaum glauben, dass ihr Gegenkandidat eine Mehrheit erreichen konnte. „Er hat kein schlüssiges Wirtschaftskonzept, wie will er einen neuen Schulstandort aus dem Ärmel zaubern, woran wir seit Jahren arbeiten? Und im Moment haben die Haarer andere Probleme als einen Radstreifen in der Leibstraße“, sagt Müller. Sie will noch vier Wochen Vollgas geben, dann wohl wieder an eine Schule zurückkehren. „Eine ausgebildete Sonderschul-Pädagogin mit viel Berufserfahrung wird natürlich gesucht.“
CSU-Sieg eine Folge von der „Politik von Ministerpräsident Söder“?
Müller glaubt nicht, dass sie oder die SPD einen „falschen“ Wahlkampf geführt haben. Die SPD habe zwar Stimmen verloren, aber ihre zehn Sitze im Gemeinderat – inklusive Müller und ihrem Ehemann Peter Schießl – gehalten. Den Hauptgrund für Bukowskis Sieg macht sie in der „Politik von Ministerpräsident Söder und der Stimmung, die in den letzten beiden Wochen extrem in Richtung CSU gekippt ist“, aus.
Den CSU-Bürgermeister in spe sieht Ulrich Leiner, der für die Grünen für das Amt kandidiert hatte, nun in der Pflicht. Während die SPD sich nun erst einmal neu formieren müsse, liege es an Bukowski, nach Mehrheiten im Ratsgremium zu suchen. „Er hat nur 14 von 31 Stimmen und muss hauptsächlich auf uns zugehen“, sagt Leiner. Allerdings habe der neue Rathauschef noch nichts an Inhalten gebracht. Ihm sei zudem unverständlich, wie er diejenigen, die den Stillstand in der Gemeinde bemängeln, mit denjenigen, die vom Bremsen reden, zusammenbringen konnte. Leiner: „Diese Enden muss er nun erst mal verbinden.“