Integrationsbeauftragter Neumeyer sucht das Gespräch

Oberschleißheim - Er schläft selbst schon mal im Flüchtlingslager und steht im dicken Anorak am Infostand in der Fußgängerzone, um über Asyl und Integration zu informieren.
Martin Neumeyer, Integrationsbeauftragter der Staatsregierung, warb in Oberschleißheim für bürgerschaftliches Engagement. Humor bewies der seit 2008 mit dieser Aufgabe betraute Neumeyer, als er das Publikum im Bürgerzentrum mit dem Hinweis auf den eigenen Migrationshintergrund überraschte. „Ich komme aus Niederbayern“, rief er fröhlich in die Runde der rund 40 Zuhörer. Der Scherz kam an. Ein Türöffner, der es dem erfahrenen Politiker erlaubte, Klartext zu reden: „Es gibt keine gute und keine schlechte Meinungsfreiheit“, sagte er und hielt den nach den Anschlägen weltweit gedruckten Zeitungstitel in die Höhe: „Je suis Charlie.“ Als ausgewiesener Fan des TSV 1860 München beweist Neumeyer Sympathien für die Schwachen. Niemals würde er Menschen nach Afghanistan schicken. Für IS-Verfolgte, wie die religiöse Minderheit der Jesiden, könne man nicht genug tun. Und trotz der Schlagzeilen über Armutsflüchtlinge aus dem Kosovo sagt er: „Als Vater würde ich auch alles tun, um nach Deutschland zu kommen.“ In Taufkirchen sind vor zwei Wochen rund 170 Flüchtlinge kurzfristig in einer Turnhalle untergebracht worden, die meisten stammen aus dem Kosovo und haben kaum Aussicht auf dauerhaftes Asyl. Den Missbrauch des Asylrechts dürfe man nicht den Menschen anlasten, sondern den Schleusern. Man könne nicht die ganze Welt aufnehmen, sagt Neumeyer, müsse aber alles tun, um die Situation in den Herkunftsländern zu verbessern.
Neumeyer, der sich mit seinem Infostand durch alle bayerischen Bezirke reist, um mit den Menschen auf der Straße über die Asylpolitik ins Gespräch zu kommen, scheut sich nicht, auch nach Grenzen zu fragen. Die Zahl der Flüchtlinge werde zunehmen. „Wie viel kann dieses Land verkraften?“, Neumeyer hält es hier mit Julian Schulz, dem Vorsitzenden der Jungen-Union (JU) Oberschleißheim. Laut „Königsteiner Schlüssel“, der Asylbewerber nach Bevölkerungszahl und Steuerkraft auf die Bundesländer aufteilt, sollten reiche Staaten Flüchtlinge aufnehmen. Der Schleißheimer Schulz fordert internationale Solidarität. In Europa würden Deutschland und Schweden die Hauptlast tragen, stimmt Neumeyer zu. Die Golfstaaten Katar und Saudi Arabien würden sich drücken. Kanada, USA? Solidarität halte sich in Grenzen.
Für Oberschleißheim gilt das nicht, erfuhr Neumeyer von Joachim Dähler. Dähler vom Helferkreis Asyl erklärt, wie etwa 40 Ehrenamtliche in der Gemeinde rund 120 Flüchtlinge betreuen, die in Containern in der Nähe des Heuwegs untergebracht sind, und sie in Deutsch unterrichten, erzählt von der hohen Spendenbereitschaft, vom Einsatz des Jugendzentrums „Planet O“, der Sozialen Stadt und der Sportvereine. „Es gibt nicht nur bei uns, sondern überall, so viele Ehrenamtliche, die für die Flüchtlinge Verständnis haben“, sagt CSU-Gemeinderat Peter Benthues, der Mitglied im Helferkreis ist und selbst mit seiner Familie 1946 aus Schlesien fliehen musste.
Ohne bürgerschaftliches Engagement bleibe Integration ein fernes Ziel, sagt Neumeyer. Er weiß um die Mechanismen, die sonst greifen, Ängste vor Kriminalität und vor „Wirtschaftsflüchtlingen“. Drei oder vier Gäste - die Veranstalter sagten später, man würde die drei Männer und eine Frau in Oberschleißheim nicht kennen - berichteten, dass rund um die Bayernkaserne die Sicherheit nicht gewährleistet sei. Erst „nationale, hier nationalsozialistische genannte, Bewegungen“ hätten sich der Ängste der Bürger vor „Schwarzhäutigen“ auf Kinderspielplätzen angenommen und vor Asylanten gewarnt, die Geschäfte plünderten, sagt ein junger Gast.
Neumeyer reagiert souverän auf diese Einwände, gibt dem jungen Mann seine Telefonnummer: Er werde sich gerne kümmern, sagt er. Er wisse um die Zustände in der Bayernkaserne. Über ein Wochenende zuzüglich Feiertag wäre die Erstaufnahmeeinrichtung heillos überfüllt gewesen. Aber Ausnahmesituationen als Regel darzustellen, davon halte er nichts. „Den ersten Schritt tun, auf Menschen zugehen“, ist ein weiteres Motto des Integrationsbeauftragten, und: „Nicht schimpfen, sondern reden.“ an