Ornithologe über Artenschutz im Landkreis: Windkraft im Wald würde viele Opfer fordern

Der großangelegte Bau von Windrädern in Wäldern ist für den Grünwalder Ornithologen Naturschützer Manfred Siering keine gute Idee. Die Artenvielfalt werde darunter stark zu leiden haben.
Landkreis – Die Windenergie will genutzt sein. Christian Hierneis, Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, sitzt im Beirat des Regionalen Planungsverbandes, der für die Windkraft-Vorranggebiete zuständig ist. Bis zum Jahr 2027 sind 1,1 Prozent der Fläche in diesem Sinne auszuweisen. Naturschutz-, Vogelschutz- und FFH-Gebiete sind ausgenommen. Zwar wurde bereits vorgestellt, wo ungefähr diese Gebiete sein sollen, aber noch nicht konkret. In der nächsten Sitzung des Beirats am 28. März soll es dann mehr Klarheit geben. Noch nicht geprüft sind die Hotspots der Artenvielfalt, wie Hierneis verrät. Klar aber ist bereits, dass im Hofoldinger Forst ein großes Potenzial für die Industrieanlagen vorhanden ist und die Windräder sollen wohl gebündelt in Gruppen platziert werden, nicht vereinzelt. Denn sonst müsste durch Zuwegungen noch mehr Fläche versiegelt werden.
Die natürlichen Biotope im Landkreis München kennt kaum einer so gut wie der Grünwalder Ornithologe Manfred Siering, stellvertretender Vorsitzender der BN Kreisgruppe München und Träger des Bundesverdienstkreuzes. Sein Resümee ist eindeutig: Windkraft ist in den Forstgebieten rund um München schädlich, „weil es immer Vögel herunterhaut“.
Die Liste der Todeszahlen
Das Umweltamt Brandenburg führt seit rund 30 Jahren eine Liste, die Bundesrepublik und Europa betreffend. Hier sind die Todeszahlen und die Arten aufgegliedert: von den 50 Gramm leichten Wintergoldhähnchen bis hin zum Seeadler oder den Gänsegeiern in Spanien. Leider sind laut Siering die Opferzahlen nicht eindeutig zu klären, denn die Raubtiere wie Dachs, Fuchs, Wildschwein und Steinmarder wissen genau, wo sich die Windräder drehen und die toten Tiere unten landen. Sie erbeuten sie leicht und schleppen sie fort.
Eingriff in den Artenschutz
Windräder im Wald stellen ihm zufolge einen schweren Eingriff in den Artenschutz und in das Gefüge der Natur dar. Es sei mit Opfern zu rechnen, gerade zu Zeiten des Vogelzuges. „Einigen Vögel sieht man die Todesursache äußerlich nicht an und stellt keinen Zusammenhang zum Windrad fest.“ Wenn der Vogel die sich schnell drehenden Rotorflügel lebend durchquert habe, erfasse ihn ein gewaltiger Sog, und ein Unterdruck zerreiße den Vögeln die Luftsäcke. Sie sind hinter den Flügeln angeordnet, die ständig prall aufgeblasen sind, damit der Vogel leicht ist und trotzdem stabil bleibt. Wie ein praller Luftballon im Hinterleib. Beim Menschen sei das Zwerchfell damit vergleichbar, das die Lunge von unten stützt.
Auch Fledermäuse erleiden Schicksal
Auch Fledermäuse wie der Abendsegler, Hufeisennasen, das Mausohr erleiden dasselbe Schicksal und auch viele Insekten seien betroffen. Um es auf den Punkt zu bringen: „Was ich Gutes tue für die Artenvielfalt, das radieren die Rotorblätter oben wieder weg.“ Zwar handle es sich nicht immer unten und oben um dieselben Arten, aber das spiele im Naturkreislauf keine große Rolle.
Windraddetektoren unbrauchbar
Der Deutsche Dachverband der Avifaunisten und die Deutsche Ornithologengesellschaft haben laut Siering längst Basispapiere ausgearbeitet, worin alle diese Beobachtungen genau beschrieben seien. Leider werde diese Arbeit völlig ignoriert und von Produzenten und Investoren klein geredet. Auch die Vogeldetektoren an den Windrädern sind dem Grünwalder zufolge völlig unbrauchbar. Angeblich sollen sie im Handumdrehen Vogelarten erkennen und sofort das Windrad ausschalten. Aber nicht mal Siering selbst könne als geschulter Ornithologe zwischen einem Wespen- und einem Mäusebussard am Himmel unterscheiden, eine KI erst recht nicht. Davon ist er überzeugt. Abgesehen davon, dass sich das Windrad auch nach dem Abschalten noch weiterdrehe.
In den Waldhauser Gräben
Überall habe man Opfer zu beklagen, auch in den Wadlhauser Gräben kurz vor Neufahrn bei Schäftlarn. Hier hat die Gemeinde Berg vier Windräder aufstellen lassen. Nicht nur mit angenehmen Konsequenzen. Selbst die schnellsten Vögel wie Baumfalke, Wanderfalke und Mauersegler habe man schon unter den Windrädern gefunden.
Ismaninger Speichersee muss tabu sein
Die größte Katastrophe allerdings wäre für den Vogelexperten, wenn die Gemeinden rund um den Ismaninger Speichersee Windparks anlegen. Das nahrungsreiche Gewässer nutzen Europas und Asiens Vögel für die Großgefiedermauser. Sie verlieren hier ihr Gefieder und bilden neues. Dazu müsse sie sich ein paar Wochen lang auf den Fischteichen richtig vollfressen. Bis zu 200 000 Wasservögel nutzen dieses „Bed an Breakfast“ im Jahr auf ihrem weiten Flug. Sie kommen zu Teil vom kaspischen Meer, aber auch aus Sibirien. „Wir haben hier eine große Verantwortung nicht nur für Deutschland, sondern international und werden alles in die Wege leiten, dass um den See herum nicht gebaut wird“, bekräftigt Siering. Im schlimmsten Fall wollen die Vogelschützer sogar vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
Die kleineren Tragödien spielen sich beim Windradbetrieb im Wald ab. Deshalb plädiert Manfred Siering dafür, die Windräder in landwirtschaftlichen Großflächen zu bauen. Gegen eine zukünftige Aufstellung im Hofoldinger Forst, die relativ sicher ist, wird er aber vermutlich nichts unternehmen können.

