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Mohr im Gemeindewappen: Ist das Tradition oder doch Rassismus?

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Von: Nico Bauer, Charlotte Borst

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Wulstige Lippen, eine breite Nase: Die Darstellung des Mohren auf dem Gemeindewappen von Ismaning (l.) hat eine Diskussion losgetreten. Auch in Unterföhring flammte sie daher auf. © Gerald Förtsch

Ein Mohr ziert die Gemeindewappen von Ismaning und Unterföhring. Das gefällt nicht jedem. Die Grünen wollen das Thema debattieren und die Historie des Motivs erkunden.

Ismaning/Unterföhring – Die Gemeindewappen von Ismaning und Unterföhring ziert ein gekrönter Mohr. Er hat wulstige Lippen und eine breite Nase. Diese überzeichnete Darstellung finden viele nicht mehr zeitgemäß, wie auch die Diskussion um das Coburger Stadtwappen zeigte. Die Gretchenfrage: Muss es denn sein, dass ein Schwarzer heutzutage mit Stereotypen dargestellt wird, die zwar im 13. Jahrhundert – ohne diskriminierende Absicht – entstanden sind, aber später in anderen Zusammenhängen in herabwürdigender Weise verwendet werden?

Die Grünen in Ismaning fordern daher – auch angesichts der weltweiten Rassismus-Debatte – eine „ergebnisoffene“ Diskussion um das Wappen. Doch die anderen Fraktionen erteilten dem Vorstoß eine Absage. „Ismaning ist bunt, tolerant und weltoffen“, schreiben SPD, Freie Wähler und CSU in einer gemeinsamen Erklärung. Immerhin lebten rund 100 Nationalitäten im Ort, und das heutige Wappen sei seit mehr als 800 Jahren Bestandteil der über 1200 Jahre währenden Ortsgeschichte, „und darauf sind wir sehr stolz“.

„Man muss über Rassismus und Diskriminierung diskutieren, aber...“

Und doch wirft die Diskussion Fragen an die Geschichte auf. Für die drei Gruppierungen könnte das gekrönte Haupt für den Heiligen Mauritius stehen. Genau da hält Grünen-Sprecherin Silke Levermann dagegen: „Es ist ganz sicher, dass es der heilige Mauritius nicht war.“

Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) hat kein Verständnis für die aufkeimende Debatte: „Man muss über Rassismus und Diskriminierung diskutieren, aber nicht über unser Wappen.“ Das Wappen verweise nicht auf die Kolonialisierung und habe keinen rassistischen Ursprung, sondern sei ein Zeichen der Hochachtung. Deshalb, so Greulich, werde das Emblem auch stolz von Gemeinderäten und Vereinen getragen.

Bürgermeister: Gekröntes Haupt drückt Verehrung aus

Auch in Unterföhring diskutieren Verwaltung, Gemeinderat und Bevölkerung mittlerweile über das Gemeindewappen, das erst 1957 eingeführt wurde. Für die Grünen-Gemeinderätin Stefanie Moser ist der Zeitpunkt richtig, einen Diskurs zu führen: „Die Black-Lives-Matter-Bewegung schärft den Blick.“ Es sei ein diffiziles Thema, das man vorsichtige angehen müsse. Wichtig ist ihr, „dass die Diskussion nicht nur von Weißen geführt wird, sondern dass auch Betroffene zu Wort kommen“.

Der gekrönte Mohr symbolisiert für Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU) eine historische Zugehörigkeit zum Freisinger Hochstift. Unterföhring brauche sich für seine Geschichte nicht schämen. „Unser Mohr hat nichts mit einem Sklaven zu tun.“ Vielmehr drücke das gekrönte Haupt Verehrung aus. „Wir haben vielfach dokumentiert, dass wir eine bunte und weltoffene Gemeinde sind“, betont Kemmelmeyer.

„Da gibt es wichtigere Dinge“

Die Zweifel am Wappen stoßen auch bei weiteren Repräsentanten der Gemeinde auf Ablehnung: Altbürgermeister Klaus Läßing findet den Rassismus-Verdacht gegenüber dem Aushängeschild der Gemeinde „völlig unpassend“. „Das Wappen haben Experten, wie Ortschronisten und Heimatpfleger, abgestimmt. Es ist ja lächerlich, sich wegen so etwas aufzuregen. Da gibt es wichtigere Dinge.“ Den Mohren finde man in Gemeindewappen von Oberbayern bis Oberfranken. „Es ist ja nicht so, als ob wir hier Hakenkreuze herausholen würden. Das können nur Leute bemängeln, die keine Ahnung von unserer Geschichte haben.“

Eine Diskussion um ein neues Wappen will auch Zweiter Bürgermeister Manuel Prieler (PWU) nicht führen. Er war viele Jahre Spieler und Funktionär beim FC Unterföhring. Dort gebe es viele Spieler, die einen Migrationshintergrund haben, „aber keiner hat sich bisher durch unser Wappen diskriminiert gefühlt“. Allerdings sei schon oft die Fragen gestellt worden, wie denn der Schwarze ins Wappen gekommen sei. Und da gibt es offenbar noch viel Erklärungsbedarf.

In der Nachbargemeinde Ismaning ist der Fall klar. Zumindest für Bürgermeister Greulich. Er hofft, dass mit der klaren Mehrheit im Gemeinderat die Wappen-Debatte vom Tisch ist. Für die Grünen ist das Thema dagegen noch lange nicht abgehakt. Sie möchten nach den Sommerferien bei einer Veranstaltung mit Experten und Historikern über die Herkunft des in der Region weitverbreiteten Freisinger Mohrs sprechen.

Die Historie des Mohren im Wappen bleibt rätselhaft

Ismaning, Unterföhring, Eching, Zolling, Fahrenzhausen und der Landkreis Freising führen den gekrönten Mohr im Gemeindewappen. Sie gehörten zum Freisinger Hochstift. „Der gekrönte schwarze Kopf tauchte 1316 erstmals auf“, sagt Christine Heinz, Leiterin des Ismaninger Schlossmuseums. „Kunsthistorisch gesehen ist er ein Bildmotiv wie der Löwe, der Stier oder das Einhorn.“ Der gekrönte Schwarze wird ab 1316 von den Freisinger Fürstbischöfen immer wieder in ihre persönlichen Wappen eingebaut. Dass der schwarze Kopf eine Krone trägt, sei damit zu erklären, dass das Motiv zum Herrschaftszeichen des Hochstifts wurde. 

Anfang des 20. Jahrhunderts durften sich die Gemeinden selbst Wappen geben. „Da tauchte von der Isar bis zum Werdenfelser Land und sogar in Slowenien das gekrönte schwarze Haupt auf.“ Warum aber der Mohr ins Wappen kam, bleibt rätselhaft. Eine Ausstellung in Freising thematisierte die Frage und habe über 20 Deutungen angeboten. „Keine lässt sich belegen. Wir werden es nicht mehr klären.“ Ob das Wappen auf die Kreuzzüge zurückgeht? „Der Bischof Otto von Freising hat im 12. Jahrhundert am letzten Kreuzzug teilgenommen“, so Heinz, „das schwarze Haupt könnte darauf verweisen, dass sein Wappenträger ferne Länder bereiste.“

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