Nachtzug mit expressionistischem Pathos

Garching - Trotz des Übergewichts an Werken der Romantik bot das von Florian Erdl geleitete Garchinger Sinfonieorchester am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik beim Bürgerhaus-Konzert spannende Kontraste. Sehr zur Freude der zahlreichen Besucher.
An das Schwerste wagte sich das exzellente Amateurorchester zu Beginn, den Mouvement Symphonique „Pacific 231“ von Arthur Honegger, uraufgeführt 1924 in der Pariser Oper. Der Gattungstitel bedeutet „sinfonischer Satz“, aber auch „sinfonische Bewegung“. Dass Letzteres besser zutrifft, zeigten die Musiker bei präziser Darstellung der motorischen Rhythmik. Schien die Dampflokomotive des amerikanischen Schnellzugs zunächst leise und ruhig zu atmen, so suggerierten unterschiedliche Klänge sowie auch Geräusche dann unter anderem ein Schnaufen und Stampfen, dazwischen mal auch fröhliche Bläsermotive.
Für die Interpreten, darunter viele Wissenschaftler, schien transparente Wiedergabe der musikalischen Konstruktion, so eine Choralvariation und kreisende Triolen, eine Herausforderung. Erreichte der 300 Tonnen schwere Nachtzug mit expressionistischem Pathos 120 Stundenkilometer, so waren dann Bremsvorgang, Signale und Halt zu erleben. Dazu kontrastierte das Violinkonzert d-Moll von Jean Sibelius. Wie Richard Strauss, der 1905 die Uraufführung leitete, erfüllte den finnischen Nationalkomponisten sozusagen ein gebrochenes romantisches Empfinden. So wartet man etwa am Ende eines Satzes vergebens auf einen erlösenden Schluss. Der Violinist David Schultheiß, Erster Konzertmeister der Bayerischen Staatsoper München, machte das Stück zum Höhepunkt des Abends. Beim Eingangs-Allegro moderato entsprach er dem mit Spannung geladenen Part, darunter heikle Monologe, wunderbar volltönend und expressiv. Einfühlsam begleitete das Orchester, Holzbläser ließen aufhorchen. Solist und Tutti färbten das elegische Adagio di molto wehmütig-sonor und stellten dem ein kraftvoll bewegtes Allegro ma non tanto gegenüber, wo der Solist mit virtuosem Flageolett leuchtende Akzente setzt.
Stürmisch erbetene Zugabe war Francisco Tárregas Gitarrensolo „Recuerdos de la Alhambra“ in der Bearbeitung des Violinisten Ruggiero Ricci, ein teuflisch schweres Kabinettstück spanischer Spätromantik, womit Schultheiß einmal mehr faszinierte. Der Dirigent, der die Orchestergruppen ausgewogen einsetzte, zeigte bei Brahms Erster Sinfonie c-Moll auch die grundsätzliche Orientierung des Hochromantikers an der Wiener Klassik, so bei machtvollen wie besänftigenden Passagen. Dann wieder steigerte er elegische Melodik zu Eindringlichkeit.