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„Was zählt ist Fleiß, nicht Herkunft“

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Von: Doris Richter

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Axel Schmidt, frisch gekürter Bundestagskandidat der FDP
Wollte als Kind Bundeskanzler werden: Axel Schmidt, frisch gekürter Bundestagskandidat. © Robert Brouczek

Axel Schmidt (52) heißt der neue Direktkandidat der FDP München Land für die Bundestagswahl im kommenden Jahr – und damit der Nachfolger des verstorbenen Jimmy Schulz.

Chancengleichheit, Bildung, Innovation und Digitalisierung sind Themen, die der Oberhachinger Axel Schmidt bundesweit vorantreiben will. Aber auch zuhause im Landkreis gibt es seiner Ansicht nach einiges zu tun, wie er im Interview erklärt.

Böse Zungen reden von der FDP als Partei der Besserverdiener. Ein Besserverdiener sind Sie auch. Warum sollte ein einfacher Arbeiter Ihnen dennoch seine Stimme geben?

Ich habe meine ersten sechs Lebensjahre in einer Kellerwohnung mit meiner alleinerziehenden Mutter, die Lehrerin war, gelebt. Ich habe allein mein Studium finanziert und mir selber meinen Aufstieg ermöglicht. Für jeden ist ein Aufstieg möglich. Wichtig ist, dass Fleiß sich lohnt. Fleiß und Intelligenz muss mehr zählen als Herkunft. Wenn jemand viel leistet, soll er auch belohnt werden. Sich in die Hängematte zu legen und zu sagen, die anderen sorgen schon für mich – das ist nicht meine Philosophie.

Sie wollen, dass es sich jeder leisten kann, im Landkreis München zu leben. Wie soll das gehen?

Da muss der Staat ein wenig in den Markt eingreifen. Es muss sozialen Wohnbau und Strukturen geben, die es Menschen ermöglichen, hier zu leben. Aber es muss auch möglich sein, dass die Leute im Eigenheim leben. Derzeit braucht man dafür viel Eigenkapital. Früher hatten wir Instrumente der Wohneigentumsförderung. Aber auch die steuerliche Absetzbarkeit von Zinsen wäre ein Instrument. In Amerika leben 70 Prozent der Menschen im Eigentum, weil man sein eigenes Haus steuerlich absetzen kann.

Was bedeutet es für Sie, liberal zu sein?

Liberal ist das Gegenteil von autoritär. Ich bin ein Antifaschist im besten Sinne, aber auch ein Antisozialist. Wir haben zwei wirklich schreckliche Regime hinter uns, die an den Rändern agiert haben. Und jetzt erstarken diese Ränder leider wieder. Da ist die Mitte total wichtig. Und innerhalb dieser Mitte sind wir diejenigen, die die Freiheit am stärksten betonen. Aber keine bedingungslose Freiheit. Die eigene Freiheit endet immer da, wo die Freiheit des anderen anfängt.

Schaut man auf die Umfragewerte, hatte die FDP aber schon bessere Zeiten. Woran liegt´s?

Vor drei Jahren hatten wir die Zeitgeisthemen Digitalisierung und Modernisierung voll auf unserer Seite. Dann kam Friday for Future und das große Zeitgeistthema Klimaschutz. Dann kam Thüringen und schließlich Corona – und in Krisenzeiten schauen die Leute auf die Regierung, in der wir nicht vertreten sind. Zudem sind wir in der FDP zu stark auf eine Person fixiert und werden ein größeres Team haben. Ich bin davon überzeugt, dass es wieder aufwärts geht und der Wert einer Kraft der Mitte erkannt wird.

Mit dem Bürgergeld haben wir ein tolles Konzept: Ein Grundeinkommen, aber kein bedingungsloses. 

Axel Schmidt

Kamen manche Themen zu kurz?

Ja. Es gibt zwei Themen, die ich gerne wiederbeleben möchte, die urliberal sind: zum einen die ökologische Marktwirtschaft. Mit Genscher und Baum hatten wir Umweltminister schon in den 70er-Jahren, haben in den 90er-Jahren die ökologische Marktwirtschaft entwickelt – also marktwirtschaftliche Instrumente für ökologische Probleme – und haben die aber nicht konsequent vermarktet und weiterverfolgt. Und das Zweite ist das Soziale. Da haben wir mit dem Bürgergeld ein tolles Konzept. Ein Grundeinkommen, aber kein bedingungsloses. Es ersetzt viele andere Transferleistungen wie HartzIV, BAföG oder Grundrente. Also eine Entschlackung des Sozialstaats, wobei niemand auf der Strecke bleibt. Aber – wie Westerwelle mal gesagt hat – wir müssen die Schwachen vor den Faulen schützen. Das ist auch mein Credo.

Ihr Vorgänger Jimmy Schulz war sehr beliebt – was nehmen Sie von ihm mit in den Wahlkampf?

Es ist ein großes Erbe, was er hinterlässt. Wie er mit seiner Krankheit umgegangen ist – unglaublich. Und er war sehr mutig. Er war der Erste, der vor zehn Jahren im Bundestag verbotenerweise seine Rede vom iPad abgelesen hat. Was war das für ein Skandal. Diese iPad ist heute im Museum der Deutschen Geschichte. Man muss als Liberaler auch mal Grenzen infrage stellen.

Apropos Grenzen. Sie fordern Corona-Einschränkungen, aber mit Maß. Was heißt das konkret?

Die Gefahr ernst nehmen, aber auch die Wirtschaft hochfahren. Ich habe kein Verständnis, dass wir Fußballspiele mit 30 000 Fans in Budapest machen und gleichzeitig ganz Ungarn für die Bürger dort abriegeln. Und auch nicht dafür, dass man in geschlossenen Räumen große Partys feiert. Ich bin für Abstandsregeln, Masken. Einen kompletten Lockdown aber sehe ich nicht. Man muss lokal reagieren – und die Regeln immer hinterfragen.

Wir brauchen mehr Tangentialverbindungen im Landkreis.

Axel Schmidt.

Welche Themen würden Sie im Landkreis gerne anschieben?

Den Wohnungsbau. Da braucht es eine stärkere Zusammenarbeit von München und den umliegenden Landkreisen. Keiner will gern Wohnungsbau vor der eigenen Haustür, aber das Problem können nur alle gemeinsam lösen. Zudem ersticken wir im Verkehrskollaps. Da brauchen wir neue Konzepte. Mehr Tangentialverbindungen, nicht nur Ringbuslinien. Ein Hänge- oder Magnetschwebebahn in der Mitte der A 99 könnte ich mir vorstellen. Auch Seilbahnen, die die Orte verbinden. Mehr Sharing-Angebote. Da muss man viel flexibler werden.

Vielleicht verbringen Sie bald viel Zeit in Berlin. Was werden Sie dort am meisten vermissen?

Meine Frau und die Erdung durch meine Familie und Freunde. Die Heimat habe ich dann ja noch am Wochenende. Und bayerisches Bier bekommt man auch in Berlin.

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