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Waisenhaus für Wildtiere

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Wilma Barth
Igelmama Wilma Barth und ihre Familie kümmern sich liebevoll um ihre stachligen Schützlinge. © Volker Camehn

Wildtiere haben es Wilma Barth angetan. Seit Jahren kümmert sich die Sauerlacherin liebevoll um kleine Tierwaisen, derzeit vor allem um kleine Igel.

Vor allem die Igel haben es Wilma Barth angetan. Aber auch Marder mag die 51-Jährige Sauerlacherin sehr. „Die sind so verspielt“, sagt sie, eine Eigenschaft, die dem Marder-Laien nicht zwangsläufig einfällt. Aber momentan ist ja Igel-Zeit. Heißt: In diesen Tagen werden besonders viele Igel bei Wilma Barth abgegeben. Igel-Nachwuchs, der seine Mutter verloren hat, unterernährt ist und dann irgendwann, wenn er Glück hat, bei Barth und ihrem Ehemann Thomas Barth, 52, landet.

Wilma Barth ist eine Art Igel-Mama und Vorsitzende des Sauerlacher Tierschutz e.V., der heute gerade mal noch aus vier Leuten besteht. Sohn Kevin gehört dazu, eine Freundin und natürlich ihr Mann. Gegründet hat Wilma Barth den Verein (www.tierschutz-sauerlach.de) im April 2015, damals noch mit sieben Mitgliedern. Er bildet so etwas wie den formellen Rahmen für das, was seine Gründerin auch „ein Waisenhaus für Wildtiere“ nennt: Neben Mardern und Igeln päppeln die Barths auch Eichhörnchen, Siebenschläfer und junge Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, auf – wobei Thomas Barth sich eher ums Handwerkliche kümmert.

Zorn auf Mähroboter

Warum aber ausgerechnet Wildtiere und keine Hunde oder Katzen? „Weil die besonders gefährdet sind“, sagt Wilma Barth. Und schaut dann zornig: „Diese Mähroboter etwa, mit denen die Leute auch nachts ihre Zierrasen trimmen, sind für Igel tödlich. Die werden da regelrecht zerstückelt“, schimpft sie. Igel sind nachtaktiv, tagsüber schlafen sie meistens. Barths Garten kennt keinen Mähroboter. Im Gegenteil, hier wuchert es beschaulich vor sich hin, ein Stückchen Wildwuchs mitten im gängigen Vorzeigegarten-Idyll mit Sichtschutz am Eingangstor. Man könnte auch sagen, die Barths haben sich hier eingeigelt.

50 Igelkinder pro Jahr

Schon als Jugendliche hat sich Wilma Barth für Wildtiere interessiert. Inzwischen ist da ein Lebensinhalt draus geworden. In dem von außen schwer einsehbaren Grundstück stehen allerlei geräumige Käfige für die Tiere. Aus dem Großraum München, aus Bad Tölz und Rosenheim stammen Marder & Co., jüngst erst wurden junge Igel-Waisen aus Dachau abgeliefert. Manche sind gerade mal eine Woche alt, alleine, ohne Mutter, hätten sie keine Chance. Manchmal schicken auch die Tierärzte die kleinen Patienten direkt zu Wilma Barth weiter, „weil die sich auskennt“. Gut 50 Igel-Kids kommen so pro Jahr zu den Barths.

Die Fürsorge hat gleichwohl Grenzen, „Füchse oder Rehe darf ich nicht aufnehmen“, sagt Wilma Barth. Sie ist auch so voll ausgelastet, mehr ginge nicht. Die Igel-Betreuung ist ein Rund-um-die-Uhr-Job. Alle zwei Stunden steht Barth nachts auf, um die Kleinen mit der Flasche zu füttern. Katzenaufzuchtmilch mit Fencheltee gibt es dann. „Igel sind laktoseintolerant“, betont Barth. Sie sorgt auch dafür, dass die Igel-Youngsters alsbald lernen, Insekten oder Würmer zu fangen, indem sie diese in die Käfige gibt.

Pflege-Protokolle

Ach ja, wie unterscheidet sie eigentlich die einzelnen Igel? „Die bekommen einfach einen Farbtupfer verpasst“, erzählt sie. Bei alldem geht es nicht ohne Bürokratie: Für jeden Igel gibt es extra ein „Pflege-Protokoll“, in dem alle relevanten Daten des Tieres notiert werden: Von der Geschlechtsangabe über den Namen des Finders bis hin zu verabreichten Medikamenten plus Gewichtsangaben an einzelnen Tagen und Uhrzeit – hier kann man prima studieren, wie die kleinen Säuger gedeihen. So belegt ein Protokoll, das Mitte August angelegt wurde, dass der kleine Findling gerade mal 77 Gramm wog. Nicht mal 14 Tage später kann Wilma Barth „150 Gramm“ notieren.

Diese Intensiv-Pflege geht ins Geld: Gut 1500 Euro im Monat kosten Spezial-Futter und Entwurmungsmittel. „Manchmal gibt es eine Tierarztbehandlung auch gratis, aber die Medikamente muss ich dann trotzdem bezahlen“, sagt Wilma Barth. Geld, das sie fast ausschließlich aus eigener Tasche bezahlt, zumal die Spendenbereitschaft aktuell gegen null gehen würde. „200 bis 300 Euro im Monat würden schon sehr helfen“, sagt sie.

Trotzdem: Die Kosten und die Mühe lohnen sich, sagt Wilma Barth. Wenn die Igel nach ein paar Monaten wieder fit für die Freiheit sind, wird Barth einfach die Käfigtür aufmachen und die Tiere verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Für die Igel-Mama vielleicht der schönste – und gleichzeitig der schwerste Moment.

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