Wiesn-Wirt Roiderer mit Statement zu Oktoberfest-Aus: „Die Frage stellt sich für mich gar nicht“

Das Oktoberfest 2020 wurde Coronavirus-bedingt abgesagt. Toni Roiderers Hacker-Zelt auf der Wiesn wird es also heuer nicht geben. Der Wirt nimmt‘s mit Fassung.
- Die Wiesn 2020 wurde abgesagt.
- In Hinblick auf das Coronavirus hielten die Verantwortlichen das Risiko für zu hoch.
- Wiesn-Wirt Toni Roiderer nimmt es erstmal gelassen.
Straßlach-Dingharting – Zwischen Gelassenheit und Schicksalsergebenheit dürfte sich die Stimmung von Wiesnwirt Toni Roiderer (75) derzeit bewegen. Im Interview erklärt der Gastronom und Metzger aus Straßlach-Dingharting, wen die Wiesn-Absage am härtesten trifft und wie er mit der virusbedingten Gastro-Krise umgeht.
Herr Roiderer, gestern wurde die Wiesn abgesagt – blutet Ihnen jetzt das Herz?
Wenn die Wiesn nicht ist, dann ist sie nicht, dann musst du damit leben und fertig werden. Die Frage, ob es einem gefällt oder nicht, die stellt sich für mich dann gar nicht mehr.
Eine Überraschung war die Entscheidung der Stadt ja letztlich nicht mehr.
Nein. Und es ist doch auch richtig. Wenn die Gesundheit der Besucher gefährdet ist, macht es doch gar keinen Sinn, dieses Volksfest durchzuziehen.
Aber die Vorbereitungen hatten Sie längst begonnen, oder?
Die Wiesn dauert nur für die Besucher 16 Tage, für Unternehmer ist sie ein Jahresgeschäft. Ich hab immer, von Januar bis Dezember, eine Mitarbeiterin, die sich nur um die Wiesn kümmert, die bekommt dann meistens ab dem Frühjahr Verstärkung, dann sitzen sie im Wiesn-Büro erst zu zweit, dann zu dritt. Mit dem Aufbau der Zelte fangen wir normalerweise dann Mitte Juli an.
Lesen Sie auch: Das sagt Münchens OB Dieter Reiter exklusiv zur Wiesn-Absage 2020.
Sowie: Oktoberfest-Größe mit Coronavirus infiziert - rettete ihm sein Instrument das Leben?
Wiesn-Absage 2020: „Viel schlimmer als uns Wirte trifft es die kleinen Volksfestbetreiber“
Ein Jahr ohne Wiesn – das bedeutet für die Wirte einen beträchtlichen Verdienstausfall.
Viel schlimmer als uns Wirte trifft es die kleinen Volksfestbetreiber, die ja auch ständig investieren und heuer überhaupt keine Einnahmen haben. Es fällt ja alles weg, das Rosenheimer Herbstfest wird ebenso wenig stattfinden wie das Frühlingsfest in München stattgefunden hat.
Wiesn-Wirt Roiderer: „Wenn der Krug nicht geht, geht die Klingel“
Gleichzeitig ist auch Ihr Gasthof zum Wildpark in Straßlach zu, seit Mitte März. Wie kommen Sie zurecht?
Bei uns ist das alles nicht ganz so wild wie in anderen Betrieben, denn wir haben ja noch eine gut gehende Metzgerei, die sich großer Beliebtheit erfreut. Jetzt macht es sich halt wieder mal bezahlt, was meine Oma mir schon früh geraten hat: „Schau drauf, dass Gastronomie und Metzgerei immer unabhängig voneinander funktionieren. Denn wenn der Krug nicht geht, geht die Klingel.“
Was heißen sollte, dass, wenn die Wirtschaft ausfällt, die Metzgerei das zweite Standbein ist?
Ja, natürlich. Wir merken jetzt alle, wie wertvoll es ist, auf zwei Beinen zu stehen. Von meinen 50 Leuten musste ich nur 35 in Kurzarbeit schicken, die anderen haben alle noch ihren Vollzeit-Job.
Es gibt Wirte, für die geht es inzwischen längst ums berufliche Überleben.
Corona ist eine Riesenbelastung für unsere Berufssparte, ich ich hoffe sehr, dass der Staat den Betroffenen entgegenkommt. Sonst hat unser schönes Land Bayern zwar immer noch eine schöne Landschaft, aber es fehlen in dieser Landschaft die typischen bayerischen Wirtschaften.
Lesen Sie dazu: Die Coronakrise trifft Ladenbesitzer und Wirte hart. Sie hoffen jetzt auf die Kulanz der Eigentümer. Die Brauerei Aying will mit gutem Beispiel vorangehen und erlässt ihren Wirten die Pacht.
Wegen Corona-Krise: Die Pacht für den April erlässt der Wirt
Wie lang, glauben Sie, ist der Lockdown in der Gastronomie noch durchzuhalten?
Es gibt viele, die jetzt schon nicht mehr können. Da müssen jetzt schon auch die Brauereien einspringen – was in vielen Fällen ja auch bereits passiert ist. Jetzt ist einfach ein bisschen Solidarität gefragt. Auch ich habe den kleinen Geschäften im Markushof, die vorübergehend schließen mussten, die Miete für April erlassen.
Haben Sie die Mieten ausgesetzt oder den Mietern ganz geschenkt?
Ich habe sie dem Juwelier, dem Friseur, dem Blumenladen und dem Physiotherapeuten geschenkt. Die haben es doch schwer genug, man muss doch da Verständnis haben. Das ganze Leben ist ein Geben und Nehmen. Und, ehrlich gesagt, es ist doch so: Wenn ich heute zum Arzt gehe und bekomme eine schlimme Diagnose, dann ist das doch viel schlimmer, als auf vier Monatsmieten verzichten zu müssen.
Sie haben jetzt, wo der Wildpark zu ist, auch mehr Zeit. Was fangen Sie damit an? Haben Sie auch schon, wie alle, ausgemistet daheim?
Das mach ich schon länger, ich bin über 60, und zwar noch jeden Tag im Geschäft tätig, aber ich tu weniger als früher. Der Hauptwirt hier wie auf der Wiesn ist mein Sohn Thomas.
Roiderer über Wiesn-Absage: „Ich reg mich nur noch auf über Sachen, die ich ändern kann.“
Und wie verbringen Sie die Zeit, die Sie jetzt haben?
Damit, zu essen, zu trinken, Rad zu fahren, Zeitung zu lesen, Kreuzworträtsel zu machen – so, wie man halt seine Tage verbringt. Ich habe ja das große Glück, dass ich sehr schön wohne, ich brauch nur rauszugehen und bin in der Natur. Und ansonsten hab ich mir schon lang zur Regel gemacht: Ich reg mich nur noch auf über Sachen, die ich ändern kann.
„Corona-Risiko zu hoch“: Söder bläst Oktoberfest ab - Altersregel für Mundschutz festgelegt