S-Bahn-Attacke von Unterföhring: So geht es der angeschossenen Polizistin heute

Ab Dienstag muss sich Alexander B. (38) vor Gericht verantworten. Er ist der Mann, der im Juni 2017 am S-Bahnhof Unterföhring die Polizistin Jessi Lohse (27) angeschossen hat.
München - Für B. wird es darum gehen, ob er den Rest seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt verbringen muss – Jessis Eltern Janet und Veiko konzentrieren sich derweil nur auf ihre Tochter. Sie liegt seit jenem furchtbaren 13. Juni im Wachkoma. B. hatte ihr nach einem Gerangel mit Jessis Dienstkollegen in den Kopf geschossen. Den Prozessauftakt verfolgt ihre Familie nicht. Vater Veiko sagt der tz: „Dafür vergeuden wir keine Energie.“

Die Familie tritt zwar indirekt als Nebenklagepartei auf – eine Anwältin ist mit einer Vollmacht ausgestattet. Nach München wollen die Eltern aber nicht kommen. Die tz erreichte Familie Lohse am Sonntagvormittag, kurz bevor Mama und Papa in eine sächsische Rehaklinik fuhren. So, wie sie es seit fast einem Jahr jeden Tag machen. „Unserer Jessi geht es den Umständen entsprechend gut“, sagt Veiko Lohse. „Und dann sind auch wir glücklich. Unsere Stimmung hängt nur von ihrem Zustand ab.“
Lange schwebte die Polizistin in Lebensgefahr
Vor drei Wochen setzten die Ärzte der Polizeikommissarin ein künstliches Stück Schädeldecke ein. Die Mediziner hatten der Beamtin den ursprünglichen Knochen bei mehreren Not-OPs teilweise entfernen müssen. Die Kugel steckte tief, schädigte Teile des Gehirns irreparabel. Lange schwebte Jessi in Lebensgefahr, der Druck im Kopf stieg wegen Schwellungen des Gehirns bedrohlich stark an. Als die Ärzte das Schicksal der damals 26-Jährigen schon in Gottes Hände legen wollten, entschied sie sich für das Leben, wie ihre Eltern kurz vor Weihnachten beim tz-Besuch in Jessis Heimat erzählten.
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Seitdem macht ihre Tochter regelmäßig kleine Fortschritte. „Sie spürt, wenn wir da sind“, sagt Vater Veiko: „Da sind wir uns ganz sicher.“ Inzwischen atmet Jessi selbständig, auch der Schluckreflex funktioniert immer besser. Mittlerweile sei ihre Tochter unter dem Pflegepersonal der Rehaklinik „zum Liebling der Station“ geworden, erzählt die Familie. Seit ihre natürliche Kopfform mit Hilfe des Plastikdeckels wiederhergestellt wurde, sei sie zudem weniger schläfrig. Wie es langfristig weitergehen wird mit Jessis Genesung: Da traut sich niemand eine Aussage zu.
Für die Lohses ist der Angeklagte kein Thema
Momentan freut sich die Familie über das Frühlingswetter. Auch Jessis Freund, der in München lebt und arbeitet, besucht seine große Liebe regelmäßig. Dann schiebt er sie für Spazierfahrten im Rollstuhl durch den Klinikpark. „Man merkt dann, dass sie sich entspannt“, sagt Veiko.

Die Familie will sich auch in den kommenden Wochen mehr mit Jessi als mit jenem Mann beschäftigen, der ihr Leben erschüttert hat. Für die Lohses ist Alexander B. kein Thema. „Wir verfolgen den Prozess nicht. Nicht über den Fernseher, nicht über Zeitungen“, sagt der Vater.
„Nur für Jessi hat sich alles verändert“
Mutter Janet sollte ursprünglich als Zeugin aussagen und über den Gesundheitszustand ihrer Tochter berichten. „Aber das tun wir uns nicht an. Wir haben ohnehin viel um die Ohren“, sagt Veiko. Alle Energie müsse man in die Genesung ihrer Tochter stecken.
Denn egal wie der Prozess ausgehe: Alexander B.s Leben werde so weitergehen, wie vor dem 13. Juni 2017, meint Vater Veiko. „Er kann essen, schlafen, sich etwas im Fernsehen anschauen. Nur für Jessi hat sich alles verändert.“
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