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Mehr Demut zeigen von dem Steuerzahler

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Von: Martin Becker

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Kritische Zwischentöne gab es im Gemeinderat zum Unterhachinger Rekordhaushalt mit 118,5 Millionen Euro.

Claudia Köhler
Die Unterhachinger Gemeinderätin Claudia Köhler leitet die Haushaltsberatungen des Freistaats Bayern. © privat

Unterhaching – Natürlich gilt der erste Blick dem Gesamtvolumen. „Ein weiterer Rekordhaushalt“ sei dies, sagte Stefan Zöllinger (CSU) im Unterhachinger Gemeinderat über die „atemberaubenden 118,5 Millionen Euro“. Dies ist die Summe, in Einnahmen und Ausgaben, vom kommunalen Haushaltsansatz für 2022 (wir berichteten). Wie komplex das von Kämmerer Udo Grafe in Kurzform vorgestellte Zahlenwerk ist, verdeutlichte eine andere Zahl, die Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) nannte: „Etwa 3000 Haushaltsstellen“, rechnete er vor, beinhalte der mehrere hundert Seiten umfassende Haushaltsplan. Von Kreditaufnahmen für den Bahnhofskauf bis zur auf 26,3 Millionen Euro gewachsenen Kreisumlage. Am Ende gingen alle Hände hoch, einstimmig verabschiedete der Gemeinderat die Haushaltssatzung.

Rhetorisches Schaulaufen der Finanzreferenten

Die Haushaltssitzung gerät alle Jahre wieder zum rhetorischen Schaulaufen der Finanzreferenten. Für die CSU mahnte Stefan Zöllinger „noch langfristigere und weitsichtigere Planung“ an mittels detaillierten Zwischenstandsmeldungen zu Großprojekten, Armin Konetschny (Grüne) spannte den Bogen weit von Klimawandel über Hochwasserschutz bis zu sozialer Gerechtigkeit, Peter Wöstenbrink (SPD) legte einen Schwerpunkt seiner Stellungnahme auf die „größer werdende Schere zwischen Arm und Reich“ und ob man wirklich genug tue für Geringverdiener, Arbeitslose und Studenten.

Helming krisitiert Misstrauen gegenüber Verwaltung

Da waren viel Pathos und Staatstragendes dabei, was Christine Helming (Freie Wähler) zu der spitzen Bemerkung veranlasste: „Jetzt muss ich mich erstmal erholen – solche Ansprachen habe ich in 20 Jahren nicht erlebt. Mit Haushaltsdebatten hatte das nichts zu tun, das waren Wahlreden.“ Die ehemalige Grünen-Politikerin monierte an die Adresse „einiger Kollegen“, dort richte sich „manche Kritik zuweilen gegen den eigenen Beschluss“. Und sie halte „das dauernde Misstrauen“ gegenüber den Mitarbeitern der Rathaus-Verwaltung für „befremdlich“ und „oft deplatziert“, der Kämmerer habe „einen absolut seriösen Haushalt vorgelegt“.

Hupfauer warnt vor „Politik auf Pump“

Eine kritische Spitze in Richtung der Dauerkritiker hatte Peter Hupfauer (FDP) schon im Finanzausschuss losgelassen. „Der Haushalt ist der Zahltag unserer Politik.“ Wer ganze Kataloge an Forderungen stelle, dürfe sich nicht wundern über den Bumerang der Kosten. „Es läuft etwas falsch, wenn es Unterhaching mit seinem privilegierten Steueraufkommen nicht gelingt, die üblichen Aufgaben einer Gemeinde finanziell zu stemmen beziehungsweise über Rücklagen aus dem Vermögenshaushalt zu finanzieren“, sagte Hupfauer. Nicht nur mit der Aufnahme eines Zehn-Millionen-Kredits (in den Folgejahren sind weitere neue Schulden geplant) praktiziere Unterhaching „eine Politik auf Pump“, die zu Lasten späterer Generationen gehe. „Vor diesem Hintergrund zählt für uns nicht, ob Unterhaching 2030 mehr oder weniger klimaneutral ist, sondern wie sich der Ort entwickelt hat, um für Folgegenerationen lebenswert zu sein.“ Viele der lokalen Klima-Forderungen würden ohnehin auf Bundes- oder Landesebene realisiert: „Das Klima kennt keine Grenzen und noch weniger Kirchtürme.“ Nachhaltigkeit aus kommunalpolitischer Sicht bedeute, „mit Augenmaß statt einseitiger Orientierung“ zu handeln und „maßvoll“ zu bleiben.

„Grüne Mitte“ wird laut Neo-Fraktion zum „Goldesel für Unternehmensberater“

Ähnlich kritische Töne kamen von Claudia Töpfer, Chefin der Neo-Fraktion – auch sie vermisste teils einen „verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern“: Man müsse vor denjenigen, die all diese Millionen erwirtschaften, „Demut zeigen“. Als Beispiel griff sie das Ringen um die „grüne Mitte“ heraus: Die werde „zum Goldesel für Unternehmensberater gemacht“; es sei an der Zeit, „schonender mit Ressourcen umzugehen und Verfahren nicht unnötig aufzublähen“.

Das Fazit von Bürgermeister Panzer fiel so aus: Die finanzielle Lage der Gemeinde sei „nach wie vor gut“, mit dem Rekordhaushalt von 118,5 Millionen Euro „sollten wir unsere Gegenwart gemeinsam so gestalten, dass wir eine lebenswerte Zukunft weiter erhalten“.

Claudia Köhler leitet Haushaltsberatungen des Freistaats

Da kann es einem vor lauter Mega-Zahlen fast schummrig werden: Erst hat Claudia Köhler (55) im Unterhachinger Gemeinderat den 118,5-Millionen-Euro-Rekordhaushalt mitbeschlossen, dann wurde die Landtagsabgeordnete kurzfristig und „für mich völlig überraschend“, wie sie berichtet, zur Chefin bei den Beratungen über den Haushalt des Freistaats Bayern. Und in denen geht es um rund 70 Milliarden Euro. Hintergrund: Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Josef Zellmeier (CSU), wurde positiv auf Corona getestet – also sprang die Unterhachingerin als Stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende kurzerhand ein. Am Freitag verhandelte sie mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) über dessen Etat, am heutigen Montag geht es weiter mit dem Kultusministerium, morgen mit Arbeit und Soziales; Landwirtschafts- und Innenministerium stehen diese Woche ebenfalls auf der Tagesordnung. „Bei diesen gewaltigen Summen ist es wichtig, sehr genau und ernsthaft zu debattieren“, sagt Claudia Köhler. Die Grünen würden versuchen, „Akzente zu setzen“, beispielsweise eine Lanze für die Geothermie zu brechen oder auf den Erhalt der Berufseinstiegsbegleitung zu drängen. Fast 1000 Anträge gilt es zu beraten.

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