Luftfilter in Schulen: „Das ist Elektroschrott“

Im vergangenen Herbst entbrannte in den Gemeinde- und Stadträten eine Diskussion über Luftfilter in Klassenzimmern: Soll man sie teuer kaufen oder auf den zusätzlichen Schutz verzichten? Viele Kommunen entschieden sich gegen eine Anschaffung. Bereuen sie ihre Entscheidung jetzt?
Landkreis – Oktober 2020. Die Zahl der Infizierten mit dem Coronavirus steigt in Deutschland rasant. Bund und Länder beschließen erneut Kontaktbeschränkungen. Noch sind Schulen und Kindergarten geöffnet, über deren Schließungen diskutieren Politikerinnen und Politiker bereits. Nach den Schließungen im Frühjahr will man Schulen um jeden Preis offen halten. Die Strategie der Staatsregierung: Wechselunterricht, Maskenpflicht – und Luftfilter für Klassenzimmer.
Große Diskussionen in den Gremien
Die Kommunen sollen die Anlagen kaufen und installieren, der Freistaat übernimmt die Hälfte der Anschaffungskosten. So das Kalkül der Staatsregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU). In den Gemeinde- und Stadträten des Landkreises wird gestritten – von Schäftlarn bis Grasbrunn, von Unterschleißheim bis Aying. Auch die Räte im Kreistag diskutieren.
Januar 2022. Die Corona-Lage ist ähnlich. Weite Teile der Gesellschaft sind gegen eine Covid-Erkrankung geimpft, auch Kinder. Wegen der Omikron-Variante wird aber wieder über Schulschließungen nachgedacht. Luftfilter könnten jetzt helfen. Hätten die Gemeinden ihre Schulen damit ausrüsten müssen?
Viele entscheiden sich gegen den Kauf
„Wir haben das intensiv aufgearbeitet, Kosten und Nutzen ins Verhältnis gebracht und dann entschieden, keine Luftfilter anzuschaffen“, sagt Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). Das Thema sei sehr komplex. „Die Infektion bricht nicht aus, nur weil Gemeinden keine Luftfilter anschaffen“, sagt Schelle.
Neben der Debatte über die Kosten für Luftfilter gab es auch Streit um die Wirksamkeit der Geräte. Trotz der Filter müsse auch weiterhin regelmäßig gelüftet werden, sagt Maximilian Böltl (CSU), Bürgermeister aus Kirchheim. „Wenn die Luftfilter nichts bringen, dann hilft es auch nichts, wenn der Freistaat die bezahlt“, sagt Stefan Schelle.
Feste Lüftungssysteme sinnvoller?
So sieht es auch Barbara Bogner (UBV), Bürgermeisterin der Gemeinde Sauerlach: „Die Luftfilter schützen die Kinder nicht vor regelmäßigem Lüften und Kälte. Sie sind eine zusätzliche Ausstattung, deren Nutzen zweifelhaft ist.“ Zudem sieht sie im Sinne der Energiewende einen unnötigen Stromverbrauch in den Geräten. „Ich bin der Überzeugung, dass wir hier Elektroschrott anschaffen, der möglicherweise ein Jahr in den kalten Monaten gebraucht wird, dann im Keller verschwindet.“
In Oberschleißheims Schulen gibt es keine Luftfilter, Bürgermeister Markus Böck (CSU) war strikt gegen den Kauf. Er hat seine Entscheidung nicht bereut. „Mobile Geräte vermitteln eine falsche Sicherheit“, sagt er. Die Gemeinde hatte sich stattdessen für fest installierte Lüftungssysteme für ihre beiden Schulen entschieden. „Aus meiner Sicht die einzige nachhaltige Lösung.“ Derzeit würde die Anschaffung geplant, erst zum Schulstart im Herbst 2022 sollen die Anlagen zum Einsatz kommen, sagt Böck.
Kritik am Freistaat
Kommt die Anlage zu spät? „Keiner hat im Sommer 2020 gewusst, wie es im Winter ausschaut“, sagt der Rathaus-Chef. Die Entscheidung über den Kauf wurde auch im vergangenen Sommer erst spät getroffen, die Schulen zu prüfen, benötigte zudem Zeit, sagt Böck. Der zusätzliche Schutz für Kinder kommt deshalb erst im dritten Corona-Herbst. Der Freistaat hätte das Thema anders kommunizieren und Vorarbeit leisten müssen, kritisiert Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD). Die Erwartungen der Eltern seien jetzt da, „wir als Kommune haben den Schwarzen Peter gezogen“.
In Unterschleißheim hat man sich früh und intensiv mit dem Thema beschäftigt, 72 von 410 Räumen in Kitas und Schulen wurden mit Luftfiltern ausgestattet. Der Stadtrat diskutierte, ob weitere Räume ausgerüstet werden sollen. Die Stadt wäre für die komplette Ausstattung aller Räume trotz Förderung auf Kosten von 3,4 bis 9,3 Millionen Euro sitzen geblieben, je nach Lösungsvariante.
Test beweisen: Schule kein Pandemietreiber
Am Ende fand sich keine Mehrheit für weitere Investitionen: CSU-Stadtrat Martin Nieroda, der auch stellvertretender Schulleiter im Unterschleißheimer Gymnasium ist, verwies auf 10 000 Schülertests, die seither ausgewertet wurden. „Die Schule ist kein Pandemietreiber“, sagte er. Intensives Lüften sei ausreichend.
Neubiberg investiert 60 000 Euro
Zumindest Thomas Pardeller (CSU) ist glücklich über die Entscheidung seines Gemeinderats in Neubiberg: „Es freut mich, dass wir als eine der ersten Gemeinden in ganz Deutschland bereits vor über einem Jahr unsere beiden Grundschulen ausgestattet und möglichst sicher gemacht haben“, erklärt der Bürgermeister auf Anfrage des Münchner Merkur. Neubiberg habe laut Pardeller insgesamt rund 60 000 Euro für die Ausstattung ausgegeben. „Dieses Geld finde ich wirklich sehr gut investiert in den Gesundheitsschutz der Kinder.“