Schüler drehen Film über Depression bei Jugendlichen

„Grau ist keine Farbe“ heißt der neue Film, den junge Filmemacher gerade drehen. Er behandelt ein ebenso sensibles Thema wie ihr letzter Film, der Preise einheimste.
Unterhaching/Taufkirchen – Ein junges Mädchen, etwa 16 Jahre, braune, schulterlange Haare, sitzt mit ernstem Blick an einem Holztisch im Freien. Biergarten-Kulisse im Taufkirchner Wirtshaus Zinners. Es ist tiefe Nacht, sie ist allein. Auf dem Tisch stehen ein Weinglas, eine Flasche Rotwein, ein Aschenbecher, daneben liegen Zigaretten. „Veni, vedi, vici“, sagt eine Männerstimme. „Ich kam, sah und siegte. Das ist einfach.“
Regen setzt ein, das Mädchen bleibt regungslos sitzen. „Ich halte es für die vornehmste Aufgabe eines Arztes, Menschen zu begleiten, die eine schwere Erkrankung haben, von der wir nicht wissen, wie wir sie noch besser behandeln können.“ Die Stimme im Ohr, das Mädchen vor Augen. Sie schüttet Rotwein ins Glas, trinkt, raucht. „Wer ist schuld daran, dass es Depressionen gibt?“, fragt die Stimme. Sie gehört Professor Peter Falkai, Direktor der Uniklinik München. Seine Antwort: „Die gesamte Welt.“ Das Mädchen lässt das Weinglas fallen, es zerbricht in tausend Stücke.
„Grau ist keine Farbe“ heißt der neue Film, den das junge Team von „MovieJamStudios“ gerade dreht. Fünf Monate haben die sechs 16- bis 18-jährigen Burschen, die zum Großteil das Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching besuchen, dafür recherchiert, der Trailer ist fertig und auf Youtube zu sehen.
Die vergessene Generation
Nun geht’s an den Dreh des einstündigen Films, der im Herbst fertig sein soll. Er befasst sich mit Depressionen bei einer „vergessenen Generation“ – der Jugend. Das Thema Burnout kennt jeder, Stress im Job auch. Doch auch die Zahl der Jugendlichen, die an Depression leidet, steigt. „Wir wollen mit dem Film die gesellschaftliche Debatte anstoßen, um die Ursprünge dieses Anstiegs zu suchen und zu finden“, sagt Alex Spöri (17) aus Taufkirchen. Im Keller seines Elternhauses hat MovieJam sein Filmstudio.
Ein sensibles Thema. Nicht das erste, an das sich die jungen Filmemacher wagen. Mit ihrer kritischen Produktion „Das (Bildungs)System“ zogen sie Missfallen aus dem Kultusministerium auf sich – und erhielten für diese Reportage den Münchner Jugendfilmpreis 2017. Noch größere Beachtung fand „Unvergessen“. In dem Film rücken die Jugendlichen auf sehr berührende Weise die Opfer des Amoklaufs vom 22. Juli 2016 im OEZ in den Mittelpunkt. Sie gönnen dem Täter keine Sekunde. Der Film gewann den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung, ist auf Festivals in Israel, der Türkei und den USA nominiert. Und nun wieder ein großes Thema: Depression bei Jugendlichen. „Jugendliche haben heute viel mehr Wahlmöglichkeiten im Leben im Gegensatz zu vorherigen Generationen“, sagt Spöri. Berufswahl, Lebensmodell, Wohnform. Freiheit kann stressen. Vor allem, wenn man damit allein gelassen wird, eine Erläuterung, eine Einordnung fehlt. Auf der einen Seite die große Freiheit, auf der anderen der Druck einer Leistungsgesellschaft.
Einzigartige jugendliche Sicht
Für den Film, der unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, der Uniklinik München, dem Münchner Bündnis gegen Depression und der Bundestherapeutenkammer unterstützt wird, haben die Jugendlichen mit mehreren Experten gesprochen. Zu Wort kommt neben Uniklinik-Chef Falkai auch der Direktor der Jugendpsychiatrie München. Der Film soll „eine einzigartige jugendliche Sichtweise ermöglichen“, verspricht Spöri. Der Blick von Jugendlichen auf Jugendliche. Eine Suche nach Gründen, ein Aufzeigen des Status Quo und die Frage nach Lösungen für eine Krankheit, unter der viele Jugendliche leiden. Und dabei oft vergessen werden.