2. Stammstrecke: Station am Hauptbahnhof falsch geplant?

Die Deutsche Bahn plant bei der zweiten Stammstrecke um. Betroffen ist das zentrale Bauwerk, der sogenannte Nukleus am Hauptbahnhof. Die Konsequenzen sind noch unabsehbar.
München - Nukleus ist lateinisch und bedeutet Kern. So nennt die Deutsche Bahn das wohl ambitionierteste Bauwerk, das im Zuge des Baus der zweiten Stammstrecke entstehen soll: ein über 41 Meter tiefer Koloss aus Beton und Stahl, der sich unter dem heutigen Vorplatz sowie der Haupthalle des Hauptbahnhofs in den Untergrund bohren soll. Ganz unten soll die Haltestelle der zweiten Stammstrecke entstehen (Arbeitstitel: Hauptbahnhof – Bahnhofplatz), mit einem breiten Mittelbahnsteig und zwei schmäleren Seitenbahnsteigen. Die „spanische Lösung“ nennen das Bahnleute, weil Fahrgäste, wie es in Spanien üblich ist, auf der einen Seite aus- und auf der anderen Seite einsteigen können.
Hat die Bahn bei der Planung etwas übersehen?
Doch offenbar hat die Bahn die Schwierigkeiten beim Bau unterschätzt: Vor allem die darüber liegende U-Bahn der Linien 1 und 2 ist ein bautechnisches Problem. Bei einer Vorausschreibung fand sich kein Unternehmen, das den Nukleus bauen würde. Daher soll der neue S-Bahn-Halt mit seinen 210 Meter langen Bahnsteigen nun nach Westen verschoben werden, wie eine Bahnsprecherin bestätigt. Dann würden nur noch die beiden getrennten Tunnelröhren der zweiten Stammstrecke unter der U1/U2 liegen. Um wie viele Meter genau die Haltestelle verschoben wird, wollte die Bahn trotz wiederholter Nachfrage nicht bekanntgeben.

Die zweite Änderung ist ebenfalls gravierend: Der Fußgänger-Zugang vom Nukleus zur Schützenstraße/Stachus wird gestrichen, bestätigte die Bahnsprecherin. Auf der Homepage, die die Bahn für die zweite Stammstrecke eingerichtet hat, wird der Seitenarm noch wie folgt erwähnt: „Über einen neuen Ostzugang ist zudem der Stachus auf kurzem Wege erreichbar.“ Dass er nun entfallen soll, empört den Grünen-Landtagsabgeordneten Martin Runge: „Das wäre eine Verschlechterung für werktäglich tausende von Fahrgästen“, sagte er unserer Zeitung. Denn die zweite Stammstrecke hat keinen eigenen Bahnhof am Stachus. Fahrgäste der S1 und der S6 auf dem Weg zum Shoppen in der Fußgängerzone hätten künftig das Nachsehen. Denn ihre S-Bahnen fahren nach Fertigstellung der Röhre ausschließlich im neuen Tunnel. Das wäre ab Ende 2026.
Welche Folgen hat das für den Bau der 2. Stammstrecke?
Allerdings steht hinter dem Zeitplan nun ein Fragezeichen. Die Bahn muss die Planänderung genehmigen lassen. Zuständig ist dafür das Eisenbahnbundesamt (EBA). Die Bundesbehörde bestätigt unserer Zeitung, dass die Bahn die Änderung schon Ende 2017 beantragt hat. „Bei der Eingangsprüfung hat sich gezeigt, dass die Antragsunterlagen in einigen Punkten nicht vollständig waren bzw. der Überarbeitung bedurften.“ Nachbesserungen seien angefordert, so EBA-Pressesprecher Moritz Huckebrink weiter. Erst dann könne entschieden werden, welches Genehmigungsverfahren notwendig sei.
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Das ist ein entscheidender Punkt: Wenn das EBA die Änderung als gravierend einstuft, dann kann sie eine Art verkürztes Planfeststellungsverfahren verordnen – dann könnten Anlieger Einwendungen anmelden, die öffentlich erörtert werden müssten. Das wäre ein zeitaufwendiges und teures Verfahren, auf das aber der gewiefte Stammstrecken-Gegner Martin Runge drängt. Er ist sich sicher: Die „Jubelmeldung“ von Ende März, als die Bahn im Gerichtsstreit mit der Bürgerinitiative Haidhausen das „endgültige Baurecht“ verkündete, war verfrüht.
Dirk Walter