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Adventskalender-Serie: Ein Blick ins Museums-Depot

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Seltener Kasten: Kuratorin Silke Berdux zeigt eines ihrer Lieblingsstücke im Depot des Deutschen Museums: Ein Christbaumständer mit Spielwerk. © Haag

München - Es gibt viele Türen in der Stadt, die den Münchnern verschlossen bleiben. Doch in der Adventszeit gilt zumindest für unsere Leser kein „Zutritt verboten“ oder „Nur für Befugte“. Der Merkur öffnet geheime, verschlossene und unbekannte Türen und schaut, was dahinter ist. Heute: ein Blick ins Depot des Deutschen Museums.

Für Silke Berdux ist heute ein besonders guter Tag. Die jüngst erstandene Heckelphon-Klarinette wurde am Morgen angeliefert.

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Das Instrument – eine 1907 angefertigte Mischung aus Saxophon und Klarinette – ist nicht nur für die Kuratorin der Abteilung Musikinstrumente im Deutschen Museum etwas ganz Außergewöhnliches. „Weltweit gibt es davon nur noch zwei“, sagt Berdux und strahlt bis über beide Ohren.Für die Kuratorin ist jedes Stück der Musikinstrumenten-Sammlung ein kleines Abenteuer, bei dem es viel zu entdecken gibt. Die meisten Schätze lagern unter der Erde, in einem der vielen Depots. „Nur 20 Prozent aller Objekte des Deutschen Museums sind in Ausstellungen zu sehen“, sagt Silke Berdux, während sie die schwere Tür zu einem der Depots öffnet. Der Rest liegt aufgeteilt nach 50 Abteilungen in den Kellerregalen und harrt möglicher Einsätze.

Auch eines von Berdux‘ Lieblingsstücken teilt das Keller-Schicksal. Der 40 auf 30 Zentimeter große Gegenstand ist eine Mischung aus Grammophon und Baumständer: an der Seite des hölzernen viereckigen Kästchens eine Kurbel, oben drauf der Metallständer mit vier Schrauben. Angefertigt wurde das Kleinod Ende des 19. Jahrhunderts von der Firma Eckardt in Stuttgart. Die Leute damals hatten Stil. „Der drehbare, musizierende Christbaumständer war ein echter Renner“, sagt Silke Berdux. Bis 1911 wurden rund 100 000 Stück verkauft.

Mit Hilfe der Kurbel wurden ein Drehmechanismus und ein Spielwerk in Gang gesetzt. In das Instrument legte man eine Metallplatte mit nach unten stehenden Nocken. Diese bewegten Rädchen, die wiederum die zarten Stahlzungen eines Stimmkamms zupften. Das Ergebnis: Der Christbaum drehte sich in seiner Pracht, dazu ertönte „Stille Nacht“ oder ein anderes Weihnachtslied. Bis zu 120 verschiedene Metallplatten gab es. „Eine Attraktion in einer Zeit, zu der die Schallplatte sich gerade erst verbreitete und es kein Radio gab“, sagt Berdux. „Und damit auch über Weihnachten hinaus die Kasse klingelte, wurden an Stelle des Christbaumständers auch Blumenvasen oder Etageren montiert.“

Mit der Firma Eckardt verschwand nach dem ersten Weltkrieg auch der musizierende Christbaumständer vom Markt. Wer nicht das Glück hat, ein solches Prachtstück vererbt bekommen zu haben, aber dennoch einmal einen Blick darauf werfen möchte, darf hoffen: Im Rahmen des Umbaus des Deutschen Museums soll in den nächsten Jahren ein Schau-Depot für die Öffentlichkeit entstehen.

Doris Richter

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