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Campingplätze als letzte Hoffnung für Familien, die keine Wohnung in München finden

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Von: Miriam Sahli-Fülbeck

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Der Spanier Antonio Cobo lebt mit seiner Familie auf 45 Quadratmetern in einem Wohnwagen.
Der Spanier Antonio Cobo lebt mit seiner Familie auf 45 Quadratmetern in einem Wohnwagen. © Screenshot ZDF Info

Viel wurde in den vergangenen Jahren über die Wohnungsnot in München geschrieben. Aufwühlende neue Geschichten dokumentiert das ZDF: von Familien, die Dauercamper am Stadtrand sind.

München - Der extreme Gegensatz in unserer Stadt schmerzt: Wir sehen Münchner, die mit großen Taschen aus den Boutiquen der Maximilianstraße herauskommen. Einige Straßen weiter sehen wir, wie Münchner mit Taschenlampen in Mülleimer leuchten, Pfandflaschen herausziehen und in ihre Plastiktüten stecken, um sich von dem Geld Essen zu kaufen. Darüber, dass unsere Stadt für so viele Menschen unbezahlbar geworden ist, haben wir viel geschrieben: sich absurd entwickelnde Mieten, eine ineffektive Mietpreisbremse und  Luxussanierungen. Und eigentlich hätten wir geglaubt, schon sämtliche Aspekte dokumentiert zu haben. Eine Dokumentation* von ZDFinfo aber zeigt jetzt neue aufwühlende Geschichten: von Familien, die Dauercamper am Stadtrand sind, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden. 

In der Doku lernen die Zuschauer den Spanier Antonio Cobo kennen, der mit seiner Frau (sie jobbt als Putzfrau) und seinen zwei Söhnen (Ariel ist 8, Toni 16 Jahre alt) seit vier Jahren in einem Wohnwagen samt Anbau lebt: zusammen 45 Quadratmeter. In einem renommierten Lokal im Glockenbachviertel arbeitet der gelernte Fliesenleger als Küchenhilfe. Er erzählt, dass ihn die Vermieter in München sofort aussortieren, sobald er zugibt, Kinder zu haben. Sein Budget würde für eine Münchner Wohnung für 800 bis 900 Euro reichen, aber er findet keine. Trotz der Enge empfindet der Spanier Stolz auf sein enges Zuhause: „ Das hier ist unser kleines Haus, hier ist das Schlafzimmer der Kinder, unser Wohnzimmer und unser kleines Schlafzimmer mit einer kleinen Toilette.“ Dafür zahlt er ungefähr 600 Euro. 

Antonio Cobo will hier trotzdem weg, wegen seiner Kinder. Der 16-jährigen Toni ist genervt vom Dauercamping, sagt im Interview, er möchte keinen weiteren Winter im Wohnwagen schlafen. 

Dreiköpfige Familie Peise: „Das hier ist nicht wie zuhause leben“

In der Doku wird den Zuschauern auch Thomas Peise (40) vorgestellt, der mit seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter einen Stellplatz gemietet hat. Eine unzumutbare Situation, vor allem mit einem Kind. Und trotz der eigenen Not hat Thomas‘ Frau noch mehr Mitleid mit der Nachbarin, weil sie ein Baby hat. 

Thomas Peise sagt, er sei zwar froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, aber auf Dauer sei das nix. Zum Duschen und Waschen müssen er und seine Familie weit gehen, das sei „nicht wie zuhause leben“. Seine Frau gesteht tapfer lächelnd, dass sie auf die Frage, wo sie wohne, immer antworte: „Da, wo andere Leute Urlaub machen.“ Jeden Tag durchsucht das Paar das Internet nach Wohnungsangeboten, doch es findet keine günstige. 

Der Betreiber des Campingplatzes, auf dem die Familien Peise und Cobo wohnen, kommentiert: „Man bekommt Schicksale von Leuten mit, die sagen: Ich bekomme keine Wohnung. Hätten Sie eine Möglichkeit für mich?“ Markus Ederer müsse oft verneinen. Üble Geschichten über die Wohnungsvergabe in München habe er viele gehört. 

Mehrere Campingplätze in München, die unsere Onlineredaktion angefragt hat, blockten Fragen nach Dauercampern auf Wohnungssuche ab. Wir haben auch Campingplätze im Münchner Umland um Stellungnahme gebeten. Die Plätze am Wörthsee und in Olching gaben an, bisher keine Anfragen von Wohnungssuchenden bekommen zu haben. 

Der Campingplatz am Pilsensee in Seefeld antwortete auf unsere Anfrage, dass dies tatsächlich ein wichtiges Thema wäre, es aber in weiten Teilen der Bevölkerung nicht bekannt sei. An diesem Campingplatz stelle sich die Frage nach einer Wohnmöglichkeit jedoch nicht, weil das baurechtlich nicht erlaubt sei. Es habe in der Vergangenheit auch diesbezüglich keine Anfragen von Wohnungssuchenden gegeben. 

So reagiert die Stadt München auf die Doku

Hedwig Thomalla vom Sozialreferat München sagt im Gespräch mit unserer Onlineredaktion, dass der Stadt kein Phänomen von unfreiwillig dauercampenden Familien bekannt sei. Thomalla räumt aber ein, dass die Verwaltung nicht immer Kenntnis über solche Einzelfälle habe. Familien, Paaren und Singles, denen die Wohnungslosigkeit droht, gibt sie drei Ratschläge:

Die Stadt München verfüge über „ein relativ gut ausgebautes System zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit“. Die Stadt bemühe sich darum, dass die Menschen in ihren Wohnungen bleiben können, statt sie woanders unterzubringen. 

sah

*Die Dokumentation des Fernsehsenders ZDFinfo wird noch einmal am Freitag, 14. September 2018, um 12.15 Uhr in ZDFinfo gesendet und ist danach in der Mediathek verfügbar. Unklar ist, ob die Wohnsituation der gefilmten Familien bis dahin noch die gleiche ist.  

Lesen Sie aus unserem Archiv: 

Sehen Sie ein Video von 2017: Münchner lebt auf Campingplatz - Alternative wäre Isarbrücke

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