Eine Tundra für die Eisbären

München - Nächste Woche ziehen die Münchner Eisbären nach Berlin - während ihr Heim in Hellabrunn einen Tapetenwechsel erfährt. In Kürze startet dort der Umbau der Eisbären-Anlage. Ein neues Becken, mehr Platz und Naturboden sollen ab dem Sommer 2010 für bärenstarkes Vergnügen sorgen.
Giovanna schnappt sich eine große Bürste und stemmt sich aus dem Becken. Dann schleudert sie ihr Spielzeug durch die Luft und wirft sich hinterher. Als die zweijährige Eisbären-Dame rücklings ins trübgrüne Wasser platscht, jauchzen die Kinder am Beckenrand begeistert auf. Im Inneren des Eisbärengeheges geht es ruhiger zu. Männchen Yoghi (8) verspeist genüßlich einige Fische. Lisa, die 35-jährige Großmutter des berühmten Knut aus Berlin, schläft.
Entzückt beobachtet Ingrid Unglaub, die von Bayreuth nach München in den Tierpark gefahren ist, die weißen Bären. Nur von dem Gehege ist sie nicht angetan: „Ich habe schon schönere Anlagen gesehen“, sagt die 52-Jährige. Das trist wirkende Eisbärenheim wurde schon 1972 erbaut. In anderen Zoos entstanden ähnliche Anlagen. „Das entsprach dem Trend der Zeit“, erklärt Zoodirektor Henning Wiesner. Heutigen zoologischen Ansprüchen genüge die eisschollenartig gestaltete Betonlandschaft nicht mehr: „Eisbären leben nicht nur auf Eisschollen.“
Deshalb war schon seit einiger Zeit klar, dass ein Neubau her muss. Ende vergangenen Jahres gab der Aufsichtsrat des Tierparks dann grünes Licht für das rund fünf Millionen Euro teure Projekt. „Die neue Anlage wird sich gut in die Isarlandschaft einfügen“, sagt Wiesner. Sie werde sowohl für die Bären als auch für Besucher attraktiver. Die Tiere bekommen künftig Naturboden unter die Tatzen, den Menschen bietet ein neues Becken mit moderner Filtertechnik ungetrübte Unterwassereinblicke.
Entworfen hat die Pläne der Münchner Architekt Peter Lanz. Das alte Gehege wird umgestaltet und mit sogenanntem Nagelfluhgestein verschönert. Wo sich derzeit noch Moschusochsen tummeln, entstehe ein tundra- und taigaähnliches Areal. „Die Gesamtfläche der Anlage verdreifacht sich auf etwa 3000 Quadratmeter“, erklärt Lanz. Der Umbau startet im September, bis zu den Sommerferien 2010 soll er abgeschlossen sein.
Doch das Projekt hat auch Kritiker. „Uns wurde vorgeworfen, dass wir vor dem Umbau neue Eisbären nach Hellabrunn geholt haben“, erzählt Wiesner. Doch es habe keine Alternative gegeben. Als sich Wiesner wegen seiner guten Verbindungen zum italienischen Zoo „Pistoia“ die Möglichkeit bot, 2007 Yoghi und 2008 Giovanna zu übernehmen, zögerte er nicht.
Für Wiesner ein doppelter Glücksfall. „Das war wie ein Sechser im Lotto.“ Eisbären seien rar und nicht von heute auf morgen zu erwerben. Viele Zoos stünden auf der Warteliste. „Wir wollten nicht riskieren, dass die Besucher vor einer neuen, aber leeren Eisbären-Anlage stehen.“
Für die Dauer des Umbaus müssen die Eisbären nach Berlin ziehen. Schon nächste Woche Montag oder Dienstag gehen sie auf die Reise. Wiesner ist sicher, dass die Veränderungen die Tiere nicht belasten: „Sie sind sich ihrer Größe und Stärke bewußt, sehr neugierig und werden die neue Anlage sofort erkunden.“ Das wellige Areal mit natürlichem Bachlauf dürfte den Eisbären gefallen. Sie können umherstreifen, auf Felsen klettern, sich an Bäumen scheuern, versteckten Honig aufspüren oder Fleischstücke ausgraben.
Vielleicht erfüllt sich dann im Tierpark auch eine besondere Hoffung: Dass die artgerechte Umgebung die Tiere in Sachen Nachwuchs aktiv werden lässt. Für ein Eisbärenbaby wie Knut wäre Hellabrunn jedenfalls ab Sommer 2010 bestens gerüstet. Geplant ist auch ein neuer Mutter-Kind-Bereich.
Brigitta Wenninger