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Fall Uli Hoeneß: So schätzt der Experte den Prozess ein

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Von: Carina Zimniok

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Uli Hoeneß
Großes Bild: Uli Hoeneß am ersten Tag des Steuer-Prozesses vor Gericht. Kleines Bild: Steuer-Experte Bernd Fischer. © dpa/fkn

München - Bernd Schiffer ist Steuerrechts-Experte und verfolgt den Fall Uli Hoeneß von Anfang an. Wir baten den Münchner um eine Einschätzung des ersten Prozesstags.

Haben Sie nach Luft geschnappt, als Sie von den zusätzlichen 15 Millionen Euro gehört haben?

Klar. Wenn ich am ersten Prozesstag ein Geständnis ablege, das das Fünffache umfasst von dem, was mir vorgeworfen wird – das ist ein Hammer. Für die Stimmung im Prozess ist entscheidend, wie alles anfängt, schlechter kann es eigentlich nicht laufen. Das war kein guter Tag für Hoeneß.

Führt da am Gefängnis noch ein Weg vorbei?

Wenn man sich nur die Summe anschaut, nicht. In diesem Bereich muss man über die Höchststrafe reden: zehn Jahre. Jetzt ist entscheidend, ob die Selbstanzeige wirksam und vollständig ist. Wenn das der Fall ist, ist es egal, wie viel er hinterzogen hat.

Zeugen-Aussage im Uli-Hoeneß-Prozess enorm wichtig

Ist die Anzeige gültig, wenn darin eine viel niedrigere Summe angegeben ist?

Es gibt zwei Probleme. Ist die Selbstanzeige gesperrt, weil die Tat schon entdeckt war? Und: War sie inhaltlich richtig und vollständig?

Ein Journalist hat recherchiert – bedeutet das, die Tat war entdeckt?

Hoeneß war in Panik, er wusste, dass Journalisten an ihm dran sind. Aber das reicht nicht für eine "Entdeckung" im rechtlichen Sinn. Wenn ich mir nur einbilde, „Um Gottes Willen, ich bin aufgeflogen“, aber es ist noch gar nichts passiert, ist die Selbstanzeige noch nicht gesperrt. Deshalb ist der Zeuge wichtig, der ausgesagt hat, der Name „Hoeneß“ sei nie gefallen.

Aber vollständig war die Selbstanzeige wohl auf keinen Fall. Die Staatsanwaltschaft wusste ja nichts von den 15 Millionen.

Ja, das wird für Hoeneß die größere Hürde. Ich kann nur spekulieren über die Taktik seines Anwalts: Vielleicht will man die Selbstanzeige nachträglich vervollständigen. Man könnte argumentieren: Die Selbstanzeige für die komplette Summe ist noch nicht gesperrt – sie war bis Prozessauftakt ja gar nicht bekannt. Aber ob das aufgehen könnte, ist mehr als fraglich. Denn Teil-Selbstanzeigen sind nun mal unzulässig. Alternativ will man halt dann die komplette Rückkehr zur Steuerehrlichkeit demonstrieren.

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Dann war es Taktik, die Summe kurzfristig zuzugeben? Oder ist die Berechnung so komplex?

Das kann beides sein. Ich kann mir auch vorstellen, dass die einfach nicht früher fertig wurden. Gewinne aus Devisentermingeschäften korrekt zu erfassen, ist eine Höllenstrafe. Das Verfluchte ist, man handelt mit Währungen, die Kurse verschieben sich laufend, man muss zwischen Yen, Euro und Dollar hin und her rechnen. Das ist ungeheuer kompliziert.

Hoeneß sagt, er hatte keinen Überblick und auf seine Experten vertraut. Halten Sie das bei solchen Summen für glaubwürdig?

Die Zockerei konnte Hoeneß alleine machen, da brauchte er nur einen Telefonhörer.

Er spricht von 50.000 Transaktionen – was sagt das über die Dimension des Falls aus?

Wenn es zur Strafzumessung kommt, spielt das Verhalten des Täters eine Rolle, und wie planmäßig er vorgegangen ist. Wenn einer so viel Energie reinsteckt, so viele Deals abschließt und nicht auf die Idee kommt, sich um die Steuern zu kümmern, könnte sich das sehr negativ für ihn auswirken.

Hoeneß wurde von seinem Anwalt ungewöhnlich harsch angegangen. Ist das eine Strategie, um Hoeneß möglichst schwach und unwissend zu inszenieren?

Das glaube ich nicht. Dick aufgetragene Naivität wirkt eher strafverschärfend. Solche Aktionen eines Verteidigers gibt es eher dann, wenn der Mandant von der gemeinsam abgesprochenen Linie abweicht und sich um Kopf und Kragen redet.

Interview: Carina Lechner

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