Foodsharing: Lebensmittel aus dem Kinderzimmer

München - Leander Rab-Wunderle ist Deutschlands jüngster Essensretter. Seit Freitag kann man in seinem Kinderzimmer in Neuhausen Lebensmittel abgeben, die man nicht mehr braucht, oder sich angebotene Produkte kostenlos abholen.
Bücher, Puzzle und ein Hochbett - Leander Rab-Wunderle lebt in einem ganz normalen Kinderzimmer. Wären da nicht die zwei Kühlschränke, ein Kürbis, grüner Spargel und tütenweise Kartoffeln, die seit Freitag bei ihm lagern. Der Elfjährige ist der erste Münchner „Fair-Teiler“. Über den Verein Foodsharing will er sich dafür einsetzen, dass nicht so viele Lebensmittel in der Tonne landen. Deshalb hat er sein Kinderzimmer zur „Fairteil“-Station gemacht, in der überschüssiges Essen weitergegeben werden kann.
„Teilen statt wegwerfen“ ist auch das Motto des Vereins Foodsharing, schließlich schmeißt jeder Bundesbürger pro Jahr im Durchschnitt 82 Kilo Lebensmittel in dem Müll. Das Konzept des Vereins ist unkompliziert: Über das Internetportal „foodsharing.de“ kann man überschüssige Lebensmittel an andere Leute weitergeben - egal, ob der Kühlschrank kurz vor dem Urlaub noch zu voll ist, man beim Einkaufen zu viel in den Korb gepackt hat oder Selbstgepflanztes nicht alleine verzehren kann. Auf der Seite gibt man an, was man zu verschenken hat, was sich also in dem sogenannten Essenskorb befindet. Interessenten melden sich dann bei einem, bevor man sich zur Übergabe trifft. Akzeptiert werden alle Lebensmittel außer hygienisch bedenklichen Produkten wie roher Fisch oder Fleisch. Verabreden können sich Anbieter und Abnehmer entweder zu Hause oder an speziellen Treffpunkten.
Seit 12. Dezember gibt es das Online-Angebot in anderen deutschen Städten, seit ein paar Wochen auch in München. Bisher haben sich bundesweit mehr als 15 000 Menschen zum Teilen angemeldet, die Zahl der Nutzer steigt wöchentlich um etwa 1000, erzählt Initiator Valentin Thurn stolz. Er sieht den Grund für die Verschwendung in der mangelnden Wertschätzung von Lebensmitteln. „Wir möchten nicht nur Salatköpfe retten, sondern auch die Köpfe der Menschen verändern, sagte er bei der inoffiziellen Eröffnung von Leanders „Fairteil“-Station.
Die Menschen, die ihre Körbe abholen, seien keine Bedürftigen. „Es sind Menschen, die die Idee gut finden. Die meisten sind Idealisten“, meint Barbara Merhart von Bernegg, Koordinatorin in München. „In anderen Städten geht es schon rund, München schläft noch.“
Das könnte sich jetzt ändern, denn mit dem Standort an der Fasaneriestraße 10 bekommt Foodsharing in München ein Gesicht. Das Haus, in dem Leander mit seiner Familie lebt, hat ein Zimmer, das früher ein Ladengeschäft war - mit eigener Tür und Schaufenster. Hier lebt der Elfjährige und hat für die Kühlschränke und Kisten sein eigenes Reich umgebaut. Zu den Öffnungszeiten kann man dort entweder Waren abholen oder selbst etwas abgeben. Auf der Plattform kann man Interessenten dann informieren, dass man bei Leander einen Essenskorb hinterlassen hat. Zahlen muss man für die Lebensmittel übrigens nichts.
Aktionen gegen Lebensmittel-Verschwendung sind für den Buben nichts Neues. Aufgerüttelt von dem Dokumentarfilm „Taste the Waste“ gründete Leander die „Brot-Connection“: Er überredete die Betreiber seines Lieblings-Cafés dazu, ihm abends übriggebliebenes Gebäck zu überlassen, um dieses zu verteilen. Über Bekannte, die er von dem Verein „O’pflanzt is“ kennt, kam er auf Foodsharing und wollte mitmachen. Sein Vater Sylvester Wunderle ist begeistert vom Engagement seines Sohnes. „Ich bin froh, dass er sich in seinem Alter für so etwas interessiert.“ Wann sein Kinderzimmer geöffnet hat, steht noch nicht fest. Die Öffnungszeiten werden bei der offiziellen Eröffnung bekanntgegeben.
Die offizielle Eröffnung findet am Samstag, 1. Juni, von 16 bis 18 Uhr an der Fasaneriestraße 10 statt. Freiwillige Helfer können sich per E-Mail an muenchen@foodsharing.de oder bei Barbara Merhart von Bernegg, Tel. 01 51/54 84 46 01, melden. Weitere Infos: www.foodsharing.de.
Andrea Steiler