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Bauprojekt in Neuperlach: Stadt hebelt Bebauungspläne aus

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München - München wächst und braucht dringend Wohnungen. Unter diesem Druck versucht die Stadt, möglichst schnell neuen Wohnraum zu schaffen. Bauträger werden von geltenden Bebauungsplänen befreit. Nun gab es dafür einen Rüffel von der Regierung von Oberbayern – und eine Klage von Anwohnern.

55 Seiten und neun Ordner umfasst der Schriftsatz, den Rechtsanwalt Xaver Finkenzeller von der Kanzlei Schönefelder, Ziegler & Lehners im Namen der Anwohner beim Verwaltungsgericht eingereicht hat. Gegenstand der Klage sind die beiden oberen Stockwerke der Neubauten an der Carl-Wery-Straße in Neuperlach. Sie sollen nicht gebaut werden, fordern die Kläger. Grund: Sie verstoßen gegen den geltenden Bebauungsplan.

Ursprünglich wollte die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag dort nur sechs Geschosse bauen. Angesichts der Not an günstigem Wohnraum setzte man

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... und die aktuelle Version mit acht Etagen.

kurzerhand zwei weitere obendrauf. Das Areal am Rande der Stadt vertrage eine solch kräftige Baustruktur, meinten Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler und Stadtbaurätin Elisabeth Merk noch vor kurzem beim Spatenstich. Die Stadt hatte die Anhebung von Geschosszahl und -fläche ohne Probleme genehmigt. Über eine Befreiung vom gültigen Bebauungsplan. Für die Nachbarn ein Unding. Sie hatten auf den rechtskräftigen Bebauungsplan vertraut, der diese Größen dort nicht erlaubt.

War die Befreiung vom Bebauungsplan rechtens?

Selbst die Regierung von Oberbayern kam nach einer Überprüfung zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von den im Bebauungsplan festgelegten Größen nicht vorliegen und diese rechtswidrig sei. Es hätte ein Verfahren zur Änderung des geltenden Bebauungsplans durchgeführt werden müssen, so die Aufsichtsbehörde.

Die Stadt reagierte darauf bislang nicht. Adressat war auch nicht die Stadt. Die Regierung hatte diese Einschätzung auf Anfrage dem Perlacher CSU-Landtagsabgeordneten Markus Blume zukommen lassen. Allerdings ist der Stadt die Einschätzung der Regierung bekannt. Die Gewofag erklärt: Wir bauen acht Geschosse. „Für uns ist nach wie vor die Befreiung vom Bebauungsplan, die uns das Planungsreferat genehmigt hat, bindend“, sagt Sprecherin Sabine Sommer.

Vorbild für andere Bauvorhaben

Die Carl-Wery-Straße steht stellvertretend für andere Bauvorhaben. Allein in Neuperlach gibt es aktuell mehrere Fälle, bei denen die Stadt ganz ähnlich agiert. Immer geht es um die Aufstockung von bestehenden Gebäuden um zwei Geschosse. Immer wird beim Bauvorbescheid eine problemlose Befreiung vom gültigen Bebauungsplan in Aussicht gestellt oder erteilt. So werden aus maximal vier Geschossen plötzlich sechs.

Manche Nachbarn sehen darin einen „massiven Bruch der Bauvorgaben“. Und für die Lokalpolitiker hat das Ganze mittlerweile System. Ihre Forderung: Keine Nachverdichtungen, die allein auf Befreiungen vom geltenden Bebauungsplan beruhen. Die Stadtteilpolitiker pochen auf eine geregelte Planung unter Beteiligung von Nachbarn und Bewohnern sowie die Berücksichtigung der Infrastruktur. Trotz Wohnungsnot dürften Recht und Gesetz nicht ausgehebelt werden. Zu Befreiungen von Bebauungsplänen sollten zudem künftig automatisch die mit Architekten und Stadtgestaltern besetzte Stadtgestaltungskommission angehört werden. Die habe mehr Wirkung als örtliche Stadtteilgremien, deren Stellungnahmen immer mehr zu Fußnoten verkommen würden.

Carmen Ick-Dietl

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