Schock nach dem Urlaub: 4500 Euro Handyrechnung

München - Erst kam der Urlaub, dann das böse Erwachen: Nach vier Wochen in der Türkei sollte Idris Demir eine Handyrechnung von rund 4500 Euro zahlen – angeblich surfte seine Tochter ständig im Netz. Es folgte ein Rechtsstreit, der jedem Handynutzer eine Lehre sein sollte.
Idris Demir erinnert sich noch gut an den Moment, als er im Herbst 2013 den Umschlag öffnete. Die aktuelle Rechnung für das Handy seiner Tochter war gekommen, ihr Vater finanziert der 16-Jährigen das Mobiltelefon. Normalerweise halten sich die Kosten für die Flatrate in alle Netze im Rahmen. Aber nicht dieses Mal: 4479,99 Euro hatte Mobilcom Debitel berechnet. „Das war ein Schock“, sagt Demir. Die Erklärung des Anbieters: Die horrende Summe sei durch Roaming-Gebühren entstanden – offenbar habe Demirs Tochter während eines rund vierwöchigen Türkei-Urlaubs häufig das mobile Internet genutzt.
Idris Demir glaubt das nicht, er war bei dem Urlaub in der Türkei dabei. „Meine Tochter war nicht im Internet, sie weiß, was das kostet“, beteuert er. Sein Verdacht: Das Handy hat sich auch im Ausland automatisch ins Internet eingewählt. Idris Demir arbeitet als Mechaniker bei BMW, er hat noch drei weitere Kinder, die hohe Rechnung bedeutet für ihn eine enorme Belastung. Als Mobilcom nicht mit sich reden ließ, suchte er den Rat des Anwalts Andre Dyczmons. Der sagt: „Es handelt sich hier um dreiste Preispolitik.“
Weil die Türkei nicht zur Europäischen Union (EU) gehört, sind die Roaming-Gebühren dort höher als etwa in Spanien oder Italien. „Wo es noch möglich ist, wird der Kunde kräftig zur Kasse gebeten“, sagt Dyzcmons. Er hat versucht, Mobilcom ein Vergleichsangebot zu machen, nach dem Demir 1000 Euro hätte zahlen müssen – ohne Erfolg. Erst, als unsere Zeitung zu dem Fall anfragt, lässt der Anbieter mit sich reden – und dementiert jede Form von Abzocke.
„Es handelt sich um Datenroaming und es ist allgemein bekannt, dass Datennutzung im Ausland recht hohe Gebühren verursachen kann“, sagt Annelena Kasztelan, Sprecherin der Freenet AG, zu der Mobilcom gehört. Die Option auf Roaming sei in Demirs Vertrag ausdrücklich festgelegt. Eine „versehentliche Nutzung“ sei auszuschließen, da die „Verbindungen in einem Schema aufgelaufen“ seien. Es müsse sich um eine „wissentliche Nutzung“ gehandelt haben.
Um derartige Fälle zu vermeiden, gibt es im Ausland sogenannte Kostensperren – der Kunde wird beim Erreichen eines bestimmten Rechnungsbetrags gewarnt, meist bei 50 Euro netto. So war es laut der Freenet AG auch im Fall von Idris Demir: „Der Kunde hat automatisch eine SMS-Information erhalten“, sagt Kastzelan. Durch Angabe eines Codes könne man diese Grenze allerdings ignorieren und weiter surfen – und genau das sei hier geschehen. „Ein Irrtum ist ausgeschlossen“, betont Kasztelan. Nachweisen lasse sich das allerdings nicht mehr. „Wir haben nichts deaktiviert“, sagt Idris Demir. „Ich verstehe nicht, wieso das Internet im Ausland überhaupt automatisch funktioniert.“
Tatsächlich gibt es bei anderen Anbietern auch andere Regeln: „Versehentliches Surfen ist für unsere Kunden nicht möglich“, sagt Ursula Liliana Buczek, Sprecherin der Telefónica Germany GmbH, zu der O2 gehört. Wer die EU verlässt, müsse vorab per SMS das „Data Pack World“ aktivieren, um dann für 24 Stunden ins Internet zu kommen. Innerhalb der EU gibt es zwar die Kostensperre – doch Buczek rät trotzdem: „Sofern Kunden keine Option oder einen entsprechenden Tarif gebucht haben, ist generell die Deaktivierung des Daten-Roaming empfehlenswert.“ Sonst könnten auch bei „geringer Nutzung durch Hintergrundaufgaben schnell größere Datenmengen erreicht werden“.
Als Telekom-Sprecher Dirk Wende von der horrenden Mobilcom-Rechnung hört, sagt er: „So etwas kann bei der Telekom nicht vorkommen.“ Kunden von T-Mobile müssten im Ausland zuerst Datenpässe kaufen, bevor sie das mobile Internet nutzen können.
Idris Demir selbst ist bei Vodafone, dort hatte er noch nie Probleme. Letztlich ging der Fall für ihn noch glimpflich aus: Gegenüber unserer Zeitung erklärte Freenet-Sprecherin Kastzelan, man wolle ihm nun „aus einmaliger Kulanz“ doch entgegenkommen und die Rechnung auf 1000 Euro reduzieren. Grundsätzlich rät sie allen Kunden, „vor Reiseantritt das Roaming und das Daten-Roaming direkt beim Kundenservice sperren zu lassen“.
Von Ann-Kathrin Gerke