Jeder Vierte scheitert vor der Rente

München - Jeder vierte Arbeitnehmer scheidet vorzeitig aus dem Berufsleben aus, weil die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Dagegen versichert sind die wenigstens. Treffen aber kann es jeden.
Jennifer Lopez hat ihren Po für 27 Millionen Dollar versichert. David Beckham bekommt bei einer ernsthaften Verletzung seiner Beine angeblich 51,2 Millionen Euro. Und sollte Julia Roberts jemals ihr Lächeln einbüßen, werden laut Medienberichten 21,9 Millionen Euro fällig. Das mag Promi-Wahnsinn sein, doch was für sie gilt, gilt im Prinzip auch für Maurer und Dachdecker: Jeder Mensch ist seine eigene Gelddruckmaschine.
Rund 1,4 Millionen Euro netto verdient im Durchschnitt ein deutscher Haushalt im Laufe eines Arbeitslebens, sagt das Statistische Bundesamt. Doch nicht mal jeder Vierte besitzt eine private Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Die Deutschen versichern lieber ihr Auto als sich selbst.
Die Versicherungskammer Bayern (VKB) - die selbst am Geschäft mit den Policen verdient - hat eine Umfrage in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Nur jeder 14. Münchner rechnet damit, dass er selbst einmal betroffen sein könnte.
Die Realität aber sieht anders aus: Laut VKB muss jeder vierte Arbeitnehmer seinen Job vorzeitig an den Nagel hängen. Barbara Schick, Vorstandsmitglied bei der VKB, spricht von einem „drastischen Irrtum“. „Und das, obwohl knapp jeder dritte Münchner seinen Beruf als ,besonders stressig‘ bezeichnet und jeder siebte als ,gefährlich oder körperlich anstrengend‘ empfindet.“
Zu den gefährlichsten Berufen zählen der Gerüstbauer und der Dachdecker. Weniger als die Hälfte der Malocher erreicht die reguläre Altersrente. Doch es trifft nicht nur die Knochenjobs. Auch jeder zehnte Realschullehrer wirft vorzeitig das Handtuch. „Der Druck in der Arbeitswelt nimmt zu“, warnt Schick. „Und das über alle Berufsgruppen hinweg.“ Psychische Störungen werden zur Volkskrankheit, der Burnout im Büro ist längst keine Seltenheit mehr. Die Rolle von Unfällen wird hingegen überschätzt, sie sind nur in elf Prozent der Fälle der Grund für eine Berufsunfähigkeit (siehe Grafik).
Von der Gefahr sind nicht nur alle Berufsgruppen betroffen, sondern auch alle Altersgruppen. Das Risiko steigt zwar mit zunehmendem Alter, laut der Deutschen Rentenversicherung waren 2010 bundesweit aber rund 40 Prozent der Betroffenen jünger als 50 Jahre.
Sich gegen den Ernstfall zu versichern, ist nicht billig. Ein 30-jähriger Diplom-Kaufmann, der im Ernstfall eine monatliche Rente von 1000 Euro bekommen möchte, zahlt bei der VKB 46 Euro im Monat. Trifft der Ernstfall nicht ein, ist das Geld futsch. Doch wer sich nicht absichert und krank wird, verliert schnell den Boden unter den Füßen, Erspartes ist rasch aufgezehrt. Die VKB wirbt naturgemäß dafür, sich abzusichern. Doch auch die Verbraucherzentrale Bayern rät dazu, sich eine entsprechende Police bei einem seriösen Versicherer zu besorgen. „Das braucht eigentlich jeder, der von seinem Einkommen abhängig ist“, sagt Beraterin Irmgard Waldherr.
Waldherr empfiehlt, auf die Laufzeit des Vertrags zu achten. Versicherer würden gerne Laufzeiten bis zum 60. Lebensjahr anbieten, mit vergleichsweise günstigen Prämien. „Die Versicherung sollte aber bis zum 67. Lebensjahr laufen“, sagt Waldherr. Denn mit 60 Jahren den Vertrag zu verlängern - also in einem Alter, wo das Ausfallrisiko besonders hoch ist - sei praktisch unmöglich. Die Verbraucherschützerin warnt davor, die Berufsunfähigkeits-Police mit einer kapital- oder fondsgebundenen Lebensversicherung zu verknüpfen. Dieses Kombi-Modell sei bei Verkäufern zwar beliebt, „Risikoschutz und Geldanlage passen aber einfach nicht zusammen“.
Thomas Schmidt