Kommunalwahl 2020: So positioniert sich die FDP in Bayern zur AfD

Nach dem Chaos in Thüringen droht ein ungemütlicher Kommunalwahlkampf für die FDP in Bayern. Doch statt sich wegzuducken, suchen viele Mitglieder noch stärker den Kontakt zu Bürgern.
- Am 15. März stehen bayernweit Kommunalwahlen an.
- Einen besonders schweren Stand hat die FDP - wegen der Vorkommnisse in Thüringen.
- Wie begegnen die Liberalen dieser Situation?
- +++ Umfrage-Hammer zur OB-Wahl in München: Es gibt einen klaren Favoriten +++
München - Um den gelben Werbeschirm auf dem Wiener Platz in München steht ein Aufgebot an Wahlkämpfern. Martina Lutz, 50, und ihre FDP-Parteifreunde wissen: Wenn sie jetzt nicht Präsenz zeigen, könnte es im Kommunalwahlkampf schwierig werden. Denn es ist Samstag, 11 Uhr - das erste Wochenende nach dem Debakel um die Wahl des Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) mit Stimmen der AfD in Thüringen.
„Wir wollten nicht, dass jemand allein da steht“, sagt Lutz gut zwei Wochen später. „Man musste damit rechnen, dass Thüringen äußerst kritisch gesehen wird - was ich verstehen kann.“ Sie betont: „Ich würde auch keine gemeinsame Sache mit der AfD machen.“ Pöbeleien blieben am Infostand immerhin aus.
FDP kämpft in Bayern gegen Trend: Kandidaten distanzieren sich von Thüringen und der AfD
Lutz kandidiert für den Bezirksausschuss Au-Haidhausen, FDP-Listenplatz zwei. Die Partei muss mindestens 6,8 Prozent schaffen, damit sie einen Sitz ergattert. Bei den Kommunalwahlen am 15. März wird nicht nur ein neuer Oberbürgermeister* gewählt, sondern auch ein neuer Stadtrat*.
Zurzeit ist die Strategie vieler Kandidaten, sich von Thüringen und der AfD zu distanzieren. Die junge Münchner FDP-Stadtratskandidatin Jennifer Kaiser-Steiner stößt auf offene Ohren: „Ich sage, dass es ein Fehler war, die Wahl anzunehmen, dass es gut war, dass Kemmerich zurückgetreten ist und dass es in München niemals eine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird.“ Oft sei eine sachliche Diskussion möglich.
FDP kämpft in Bayern gegen Trend: Aktuell würde es nicht für den Einzug in den Landtag reichen
Widerworte und Wut erlebten dennoch bundesweit einige Liberale seit dem Eklat. Plakate wurden beschmiert, in FDP-Büros landeten Drohungen und Beschimpfungen wurden über soziale Medien geäußert. In Hamburg kostete das die FDP wohl hauchdünn die Wahl in die Bürgerschaft. Laut einer Infratest-Wahlanalyse ging jeder Fünfte wegen Thüringen. Auch in Bayern sieht es schlecht aus: GMS sieht die FDP im Landtag nur noch bei drei Prozent.
Aber die Bayern-FDP hält den Kopf oben. „Die Stimmung ist besser als befürchtet nach Thüringen“, sagt Martin Hagen, Fraktionschef im Landtag und Wahlkämpfer für den Ebersberger Kreistag. Er hofft auf einen Zeit-Effekt: Je länger die Kemmerich-Wahl her ist, desto geringer ist der Schaden für die Wahlkämpfer. Wer sich umhört, erfährt: Viele, vor allem Kandidaten auf dem Land, wurden bisher gar nicht auf den Fall angesprochen.
FDP kämpft in Bayern gegen Trend: Landshuter OB bleibt optimistisch
Alexander Putz, der einzige Oberbürgermeister der Liberalen in Bayern, fürchtet nicht um seine Wiederwahl in Landshut: „Ich glaube nicht, dass eine Persönlichkeitswahl wie die Kommunalwahl von der Situation in Thüringen wesentlich beeinflusst wird.“
Scharfen Gegenwind kennt die FDP ohnehin. Sätze wie „Dass ihr euch noch her traut!“, hört der FDP-Oberbürgermeisterkandidat für München, Jörg Hoffmann, nicht zum ersten Mal. Die geplatzten Verhandlungen um die Jamaika-Koalition 2017 brachten ebenfalls Unmut. „Das gibt es immer an Infoständen“, sagt er und stellt klar: „Es wird hier keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Das nehmen mir die Bürger auch ab.“ Persönlich habe er keine Anfeindungen erlebt. Der Bayerische Landesverband der FDP sei auch eher im linken Spektrum der Liberalen verortet.
FDP kämpft in Bayern gegen Trend: Klingbeil-Zitat weckt den Kampfgeist
Die FDP-Landespartei meldet seit den Ereignissen von Anfang Februar etwa 80 Austritte und 20 Eintritte. Trotz aller Umstände bleibt Martina Lutz Optimistin. Sie ist im Herbst 2018 in die FDP eingetreten, weil ihr schon länger das Erstarken der AfD Sorgen bereitet und sie sich für eine respektvolle Gesellschaft einsetzen möchte. Ihr Engagement lässt sie sich auch nicht vom SPD-Generalsekretär vermiesen: Lars Klingbeil sagte kürzlich der Bild, die FDP sei keine Partei der Mitte mehr. „Das pack‘ ich unter politisches Geplänkel“, tut Lutz solche Aussagen ab. „Das weckt meinen Kampfgeist.“ Sie setzt dann ein Lächeln auf und geht auf die nächsten Passanten zu.
Für Samstag ist erstmalig ein Stand am Mariahilfplatz geplant. „Wir müssen uns auch mal in andere Gefilde außer zum Beispiel dem Wiener Platz trauen“, begründet sie ihre Initiative. Der Kampf gegen die Fehler anderer Parteimitglieder geht weiter.
In einer Umfrage zur OB-Wahl in München liegt ein Kandidat deutlich vorne - doch es gibt eine Hürde. Alle Infos zur Wahl und den Kandidaten finden Sie in diesem Artikel. Auch ein neuer Stadtrat wird gewählt - doch wer stellt sich zur Wahl? Der Rosenheimer OB-Kandidat der AfD wird gegenüber Migranten ausfällig.
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Cindy Boden