„Verlust an Lebensqualität“: Wann ist endlich Schluss mit dem Wachstum?
Dem nächsten Münchner Stadtrat steht eine weitere Zersplitterung bevor. Bei der Kommunalwahl im März 2020 wird die „München-Liste“ antreten. Die Gruppierung stemmt sich gegen das vehemente Wachstum in der Landeshauptstadt.
- Die Münchner Politik sorgt für einen Verlust an Lebensqualität, urteilt die München-Liste.
- Getragen wird das Bündnis von Bürgerinitiativen, Vereinen und Gruppen.
- Bei den Anliegen „München-Liste“ könnten viele Bürger hellhörig werden.
München - 300.000 weitere Einwohner bis zum Jahr 2040? Stau, Platzmangel, Lärm? Dies alles sei kein Naturgesetz, sagt der vorläufige Sprecher der München-Liste, Dirk Höpner. Er und seine Gruppierung wollen für eine Wende sorgen: „Die derzeitige Münchner Wachstums- und Bodenpolitik bezahlen alle Bürger mit einem Verlust an Lebensqualität.“ Und mit hohen Mietpreisen, wie der 58-Jährige anfügt.
Wachstumsgegner: München-Liste setzt sich ehrgeiziges Ziel
Höpner stellte bei der Vorstellung der neuen politischen Gruppe klar, dass die München-Liste „keine SEM-Veranstaltung“ sei, sondern ein unabhängiger Zusammenschluss von Bürgerinitiativen und Vereinen. Aktuell sind die Gegner der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) – die Bündnisse Heimatboden und Nordost – nicht Mitglied der München-Liste. Höpner sagt, im Falle des Bündnisses Ost sei dies noch denkbar, bei Heimatboden eher nicht. Die neue Gruppierung hat laut Höpner auch mit anderen politischen Parteien verhandelt, um auf einer gemeinsamen Liste anzutreten, unter anderem mit der ÖDP. Die Gespräche waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt. „Wir haben uns entschlossen, alleine anzutreten,“ erklärt der 58-Jährige, der als Geschäftsführer des Sozialunternehmens Stiftung Pfennigparade tätig ist.
Getragen wird die München-Liste bisher von Bürgerinitiativen, Vereinen und Gruppen wie dem Bündnis Gartenstadt, dem Bürgerbegehren Grünflächen erhalten, den Initiativen „Rettet den Münchner Norden“, „Pro Fürstenried“, der BI Großhadern oder dem „Forum Lebenswertes München“. Der Unterstützerkreis soll noch erweitert werden. Demnächst werden alle Bürgerinitiativen der Stadt Post von der München-Liste bekommen. Gut 1000 Unterschriften muss die neue Gruppierung sammeln, um bei der Kommunalwahl 2020 antreten zu können. Nach Auffassung der München-Liste dürfte dies kein großes Problem sein. Im Gegenteil: Das Ziel der Wachstumsgegner für die Wahl ist sehr ambitioniert. Sie wollen zehn Prozent der Stimmen erreichen.

Höpner baut auf das Potenzial an Wählern, die Nachverdichtung ablehnen. „Ein Großteil der Münchner will diese Politik des Zubauens nicht mehr“, glaubt er. Dem Kampf „gegen die maßlose Versiegelung“ wollen sich auch Michael Melnitzki (57, Versicherungskaufmann), Andreas Dorsch (53, Geo-Informatiker) und Claudia Hartmann aus Großhadern (59, Richterin) anschließen. Sie alle saßen am Freitag mit auf dem Podium. Wie genau die Reihung der Liste aussehen wird, steht noch nicht fest. Also auch nicht, ob Höpner Spitzenkandidat sein wird. Man sei erst am Anfang des Gründungsprozesses, hieß es.
Kommunalwahl 2020: Das sind die Forderungen der München-Liste
Konkret fordert die München-Liste einen Stopp der Ausweisung von Gewerbeflächen. In den vergangenen zehn Jahren sei die Anzahl neuer Arbeitsplätze (plus 184.000) im Verhältnis zum Neubau von Wohnungen (plus 55.000) völlig aus dem Gleichgewicht geraten, bemängelt Höpner. Allein im Werksviertel entstünden 7000 Arbeitsplätze und nur 1150 Wohnungen. „Der Druck wird größer“, so Höpner. Eine Menge Einsparpotenzial im Stadtetat sieht er beim Wohnungsbau. Die München-Liste fordert: Mehr Geld für die soziale Infrastruktur investieren statt in Nachverdichtungsmaßnahmen. Vor allem, weil letzteres auch auf Kosten der Grünschneisen gehe, wie Dorsch sagt.

Den Bau der zweiten Stammstrecke sieht die München-Liste kritisch. Für sie ist die Tram „das Verkehrsmittel der Zukunft“. Außerdem will die Gruppierung den Bau der Ring-S-Bahn. Stiefmütterlich wird im Rathaus nach Meinung der München-Liste bisher die Bürgerbeteiligung gehandhabt. Bei berechtigten Anliegen stoße man „auf eine Mauer des Schweigens“, sowohl bei OB Dieter Reiter (SPD) und den Stadträten als auch bei der Verwaltung, kritisiert Melnitzki. Die Motivation, sich der Stadtratswahl zu stellen, fasst Dirk Höpner so zusammen: „Das Frustrations-Level vieler Bürger ist mittlerweile sehr hoch.“
Kein Platz. Immer mehr Menschen. Zu wenig Wohnraum: Die bayerische Landeshaupstadt platzt bald aus allen Nähten. Eine der Ideen: München soll an den Wolken kratzen.