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Fausthieb in Polizei-Wache gibt Rätsel auf

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Die 23-jährige Frau wurde schwer verletzt

München - Die SPD fordert nach der Gewalteskalation auf einer Münchner Polizeiwache Aufklärung vom bayerischen Innenministerium. Das Dezernat für Amtsdelikte untersucht den Vorfall, der viele Rätsel aufgibt.

Der Vorwurf der überzogenen Gewalt seitens eines Münchner Polizisten beschäftigt nun auch die Politik. Der SPD-Rechtspolitiker Florian Ritter fordert vom bayerischen Innenministerium umgehend Aufklärung über den Vorfall, bei dem am 20. Januar eine 23-jährige Münchnerin in der Auer Inspektion schwer verletzt worden war (wir berichteten). Die Polizei macht weiter Notwehr geltend – die internen Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen.

Darauf zog sich auch das Innenministerium gestern auf Anfrage unserer Zeitung zurück. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nichts zu dem Fall sagen“, ließ Ministeriums-Sprecher Michael Siefener wissen. Und: „Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Verfahrens.“ Doch auch die war am Dienstag nach eigenem Bekunden noch nicht im Bilde: „Die Polizei hat uns Ende letzter Woche über den Vorgang informiert“, erklärte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. „Laut Angaben der Polizei sollen die Unterlagen auf dem Postwege zu unserer Behörde unterwegs sein.“ Und weiter: „So lange wir diese Unterlagen nicht haben, können wir uns auch noch kein genaues Bild von den Vorgängen machen.“

Franz Erlmeier hingegen, der Anwalt der verletzten Frau, hat sich ein Bild gemacht. Er hält die angebliche Notwehr des Polizisten für nicht nachvollziehbar: „Ein Angriff auf ihn konnte von meiner gefesselten und von mehreren Beamten fixierten Mandantin gar nicht ausgehen“, so der Jurist. „Eine solch massive Körperverletzung war in der konkreten Situation weder erforderlich noch verhältnismäßig.“

Wie berichtet, ereignete sich der Vorfall am Sonntag, 20. Januar. Gegen 15.30 Uhr hatte die 23-jährige Tamara (Name geändert) selbst wegen einem Beziehungsstreit mit ihrem Freund die Einsatzzentrale verständigt. Um die Situation zu klären, wurden die beiden aufs Revier gefahren. Doch während der Fahrt rastete die Frau nach Polizeiangaben aus und wurde gefesselt. Die Version der jungen Frau ist, dass sie während der Fahrt eine SMS an ihre Mutter schreiben wollte und ein Beamter ihr das Handy wegnehmen wollte. Dabei sei es zu einem Gerangel gekommen. Richtig eskaliert war die Situation jedoch auf der Wache, als mehrere Beamte die 23-Jährige in eine Zelle bugsieren wollten. Nach Angaben der jungen Frau sei sie gewaltsam auf eine Liege gedrückt worden, sie habe Platzangst gehabt und einem Beamten, der ihren Kopf fixiert hatte, ins Gesicht gespuckt. Daraufhin habe er ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

SPD fordert Aufklärung vom Innenministerium

Die Version des Polizisten weicht davon ab: Er habe zunächst den Kopf der Frau zur Seite gedrückt, um nicht nochmals bespuckt zu werden. Als er seine Hand aus dem Gesicht der Frau nahm, habe diese versucht, ihm mit dem Kopf ins Gesicht zu stoßen. Um sich dagegen zu schützen, habe er ihr den Faustschlag versetzt.

Ob diese Notwehr glaubhaft ist, untersucht derzeit das polizeiinterne Dezernat für Amtsdelikte. Immerhin waren zu dem Zeitpunkt mehrere Beamte in der Zelle, und die Arme der Frau waren mit Handschellen hinter ihrem Rücken gefesselt. Vom Dienst suspendiert wurde der 33-jährige Hauptmeister bislang nicht. „Nach derzeitigen Ermittlungen ist eine Notwehr dem Polizisten nicht abzusprechen“, erklärte Polizei-Sprecher Reinhold Bergmann.

Die Polizei macht ferner geltend, dass die Frau während ihrer Party-Nacht vor dem Vorfall Rauschmittel genommen hatte – das gab sie selbst im Klinikum rechts der Isar an, wo die Verletzungen der Frau behandelt wurden: ihre zertrümmerte Nase musste operiert werden, zudem war die Augenhöhle angebrochen. Auch darum erscheint die Aussage, es habe sich um Notwehr gehandelt, dem SPD-Landtagsabgeordneten Ritter nicht glaubwürdig: „Dafür sind die Verletzungen zu schwer.“

Sven Rieber

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