So lief der Transport der MS Utting

Nach 56 Jahren hat die MS Utting einen neuen Platz. Künftig steht das Schiff vom Ammersee auf einer Eisenbahnbrücke in München. Organisator Daniel Hahn verrät, wie das Schiff künftig genutzt wird.
München - Mehrere Tonnen Stahl schwanken gefährlich im Wind. Doch zwei Kräne halten den Rumpf der MS Utting unter Kontrolle und heben das Boot glücklich auf die Eisenbahnbrücke an der Lagerhausstraße. Rund 300 Schaulustige sind an diesem Mittwochvormittag zu dem Spektakel in der Nähe der Großmarkthalle gekommen, Anwohner, Familien und sogar eine Kindergartengruppe schauen zu, wie mächtige Kräne in Maßarbeit das 56 Jahre alte Ausflugsschiff auf die Brücke hieven.
Die Idee stammt von Daniel Hahn, 26, der auch bei den alternativen Veranstaltungsort Bahnwärter Thiel mitwirkt. „Nach anfänglichen Schwierigkeiten bin ich wirklich froh, dass das Schiff auf der Brücke steht“, sagt Hahn. Wind und einige Äste sorgten für eine Verzögerung im Ablauf. „Und dann war auch noch die erste Motorsäge stumpf, die die Äste beseitigen sollte.“
Eröffnung am 1. Mai?
Hahn und seine Mitstreiter wollen am 1. Mai in See stechen. Bis dahin gibt es noch viel zu tun: Zugänge zur Eisenbahnbrücke und ins Schiff müssen gebaut werden. Das ausgeschlachtete Oberdeck muss neu eingerichtet werden. „Ein neuer Boden wird kommen. Vielleicht eine Bar“, sagt Helfer Uli Hermann, der schon die ganze Inneneinrichtung ausräumte. Hermann hilft auch, das Boot neu einzurichten.
Hahn und seine Kollegen wissen schon, wie sie das Schiff künftig nutzen wollen. „Es wird kein Partyschiff“, stellt er klar. „Im oberen Teil soll ein Gastronomiebereich zum Einkehren einladen. Bei gutem Essen können sie die Aussicht über Sendling genießen.“ Im unteren Teil wollen die Organisatoren eine Kleinkunstbühne mit Lesungen oder Konzerten etablieren.
Große Logistik, drei Tage intensive Arbeit
Die große Reise des Bootes begann schon am Montag am Ammersee, als Arbeiter Kräne am Steg aufbauten. Einen Tat später legten Taucher riesige Schlaufen um den Rumpf, um das Schiff aus dem Wasser zu hieven. Zu diesem Zeitpunkt war das Oberdeck schon abgetrennt und auf einen Anhänger mit 24 Achsen verfrachtet.
Am Dienstagabend macht sich der Tross langsam in Richtung München auf. Um 2 Uhr fährt die MS Utting durch den McGraw-Graben an der Tegernseer Landstraße. Teilweise kriecht der Schwertransporter mit fünf Kilometer pro Stunde über die Autobahn.
Über den gesperrten mittleren Ring gelangt der Kahn schließlich zur Kreuzung Brüdermühl-/Schäftlarnstraße. Dort werden sogar eine Ampelanlage und Verkehrsschilder abgebaut, damit der Schwertransporter überhaupt an sein Ziel gelangen kann.
Zwischenfall mit Fels auf Verkehrsinsel
Die Fahrt verläuft fast ohne Probleme. Bei den Tunneln sind nur wenige Zentimeter Luft nach oben, aber es geht alles glatt. Einen kleinen Zwischenfall gibt es freilich: Beim Abbiegen auf die Schäftlarnstraße schrammt die linke Seite des Oberdecks gegen einen Felsen auf der Verkehrsinsel.
Um 4 Uhr in der Früh legen die beiden Schiffsteile unter der Eisenbahnbrücke an. Trotzdem der nachtschlafenden Zeit sind bereits zwischen 20 und 30 Schaulustige vor Ort. Unter ihnen auch Michel Geipel, 21. Seine ganze Familie schaut sich das spektakuläre Wendemanöver über dem Brudermühltunnel an. „Ich studiere Bauingenieurwesen und fand besonders spannend, wie die Brücken die Schwertransporte aushalten“, sagt er.
Kaffee bei eindrucksvoller Kulisse
Gelohnt hat sich die Schufterei allemal. Die Anwohner sind vom Projekt begeistert. „Das Schiff kommt im Alter zu mir“, sagt Walter Seltmann, 75 und klärt auf: „Ich bin schon als Bub auf der MS Utting über den Ammersee geschippert.“ Auch Tanja Kunst, 50, freut sich schon auf einen Kaffee bei eindrucksvoller Kulisse.
Wie lange die MS Utting über den Straßen Sendlings thront, ist noch ungewiss. „Wir haben uns mit der Stadt auf eine Zwischennutzung von fünf Jahren geeinigt“, sagt Hahn. Der Grund: Die Stadt will abwarten, ob die Bahnstrecke künftig erneut in Betrieb genommen werden muss oder nicht. Bis dahin darf das Schiff seinen Kurs halten.
Wir haben die gesamte Reise der MS Utting im Live-Ticker und teils auch im Live-Stream verfolgt. Hier können Sie alle dazu lesen.
So lief die Fahrt
Dienstagvormittag: Das Oberdeck der MS Utting wird abgesägt. Taucher legen Gurte um den Rumpf, damit zwei Kräne die Tonnen aus Stahl auf die Anhänger hieven können. Am Ammersee verabschieden sich knapp 50 Schaulustige und Kapitän Helmut Tröbensberger vom Schiff, das um 21 Uhr Richtung München aufbricht.

Durch den McGraw-Graben
Zentimeter entscheiden. Besonders der Allacher und Aubinger Tunnel lassen den Atem stocken. Aber alles geht gut. Mit einer einstündigen Verspätung erreichen die Schwertransporter die Stadtgrenze Münchens: Um 1.59 Uhr passieren sie den McGraw-Graben an der Tegernseer Landstraße.

Knifflige Wendemanöver
Um vier Uhr erreichen die beiden Bootsteile endlich das Ziel. Besonders knifflig ist die Kreuzung Schäftlarn- /Brudermühlstraße. Die Lkw biegen links ab und fahren rückwärts zur Lagerhausstraße. Eine enorme Leistung der Fahrer, die natürlich von vielen Helfern gelotst werden.

Letzte Etappe
Kommt ein Schiffchen geflogen: Kräne heben die MS Utting auf die Eisenbahnbrücke bei der Lagerhausstraße – die Gegend wird weiträumig abgesperrt. Obwohl es ziemlich windig ist, heben die Kräne das Schiff ohne Dellen auf die Brücke.
