Plan für Münchner Hochhaus-Türme hitzig diskutiert: „Furchtbare Vorstellung“ oder sinnvolle Ergänzung?

Zwei PVC-Ballons simulieren am Donnerstag die Höhe der auf dem Areal der Paketposthalle geplanten Türme. Münchner beobachten das Schauspiel und bilden sich ihre Meinung.
München - Dass die zwei roten Ballons für Aufsehen sorgen, merkt man an diesem Morgen schnell. Überall, wo die bis zu einer Höhe von 155 Metern aufgestiegenen, kugelrunden Flugobjekte gut zu sehen sind, halten Leute an, packen ihre Handys oder Kameras aus und fangen an zu knipsen. Zum Beispiel auf der Donnersbergerbrücke, dem Olympiaberg und auch dem Rondell bei Schloss Nymphenburg*. Dort hat sich Stadtbaurätin Elisabeth Merk positioniert. Die Ballons seien gut in einem schrägen Winkel sichtbar gewesen, berichtet sie und fügt an: „Ich bin froh, dass wir diese Höhenbemusterung dokumentiert haben.“ Bei dem Versuch geht es um die Wirkung der beiden markanten Punkte auf die Stadtsilhouette.

Hochhaustürme in München: Platz für 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze
Wie berichtet, plant die Büschl Unternehmensgruppe auf dem rund 26 Fußballfelder großen Areal der Paketposthalle ein neues Stadtquartier mit 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätzen. Im besonderen Fokus der Diskussion sind die zwei 155 Meter hohen Türme, auf deren Dach womöglich ein Biergarten entstehen könnte. Die futuristischen Bauten würden die Frauenkirche um gut 50 Meter überragen.

Entsprechend kontrovers wird das Projekt diskutiert. Hans-Georg Stocker, Betreiber des benachbarten Backstage, befürwortet es: „Urbanität ist Widersprüchlichkeit. Auch Hochhäuser machen eine Stadt aus.“ Simone Kern, die auf der Donnersbergerbrücke steht, ist anderer Meinung. „Diese Hochhäuser, das geht nicht. Wir sind hier nicht in New York. Und ein Biergarten in 150 Meter Höhe ist eine furchtbare Vorstellung, wie soll das gemütlich sein?“, sagt die 55-Jährige, die beim Roten Kreuz arbeitet. Das sieht Detlev Sträter ähnlich. Der 71-Jährige ist fürs Münchner Forum unterwegs, um sich ein Bild zu machen: „Hochhäuser sind die Parasiten der Stadtentwicklung, teuer und tragen nichts zum Stadtbild bei“, wettert er. Der Musiker und Produzent Julian Taliani (24) sieht das gelassener: „Ich kann mir vorstellen, dass sich die Hochhäuser gut einfügen würden.“

Hochhausprojekt in München: Politiker wollen die Bürger fragen
Unterdessen zeichnet sich auch in der Münchner* Politik eine neue Hochhausdebatte ab. Die Fraktion ÖDP/München-Liste hat beantragt, einen weiteren Bürgerentscheid zur Hochhausgrenze herbeizuführen. Bekanntlich hatte sich die Mehrheit der Münchner 2004 dafür ausgesprochen, dass kein Gebäude in der Stadt höher als 100 Meter sein darf. Rechtlich verpflichtend ist dieses Votum nicht mehr, aber Politik und Verwaltung haben dieses Abstimmungsergebnis bis heute respektiert. Das sollte so bleiben, meint Tobias Ruff (ÖDP): „Man muss die Münchner fragen, ob sie es hinnehmen wollen, dass sich Firmen überdimensionierte Visitenkarten bauen.“

Die Grünen teilen grundsätzlich die Intention des ÖDP-Antrags, wie Fraktionschefin Anna Hanusch erklärt. Allerdings schlagen sie vor, nicht nach einer pauschalen Höhenbegrenzung zu fragen, sondern die Projekte individuell nach Kriterien des Städtebaus und der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit zu bewerten. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl hält hingegen nichts von einem Bürgerentscheid. „Wir sehen den Bau von Hochhäusern an ausgewählten Stellen als wichtig für die Stadtentwicklung an“, sagt er. Dennoch müssten die Bedenken der Hochhaus-Gegner ernst genommen werden. Auch die SPD lehnt es ab, „Hochhäuser isoliert nur anhand ihrer Höhe zu betrachten“, wie der Fraktionsvorsitzende Christian Müller sagt. Diese Sichtweise sei zu eindimensional. Vielmehr müssten die Gestaltung, die Schaffung sozialer Stadtquartiere sowie energetische und ökologische in die Überlegungen einbezogen werden. (Alena Wunderlich) *tz.de/muenchen ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA