Paartherapeutin im Interview: „Liebe ist immer ein Wagnis“

Kann man Liebe reparieren – und wenn ja, wie stellt man das eigentlich an? Merkur-Volontärin Marion Neumann hat sich mit Tanja Thelen (48), Paar- und Sexualtherapeutin aus München, unterhalten.
Frau Thelen, was sind das für Paare, die zu Ihnen in die Therapie kommen?
Das ist ganz verschieden. Ich begleite sehr junge Paare, die gerade Anfang 20 sind, bis hin zu 70-Jährigen. Doch obwohl Paare aus ganz unterschiedlichen Gründen kommen, geht es doch meist um ähnliche Themen.
Welche Themen sind das?
Oft ist die Nähe zwischen den Partnern verloren gegangen oder sie sind unzufrieden mit ihrem Sexualleben. Manchmal ist auch eine Affäre oder ein Seitensprung aufgedeckt worden. Ebenso Überforderung, etwa durch den Job oder im Familienalltag, ist ein Thema. Die meisten Paare befinden sich in einer tiefen Krise, streiten viel und möchten so nicht mehr weitermachen.
Wollen denn immer beide Partner die Therapie? Oder haben Sie manchmal das Gefühl, dass einer von beiden nur mitgeschleift wird?
Tatsächlich frage ich das manchmal, wenn ich den Eindruck habe, dass jemand vielleicht nicht ganz „freiwillig“ da ist. In manchen Beziehungen sagt einer: „Von mir aus können wir das machen, aber ich glaube, das bringt nichts.“ Wenn dann beide kommen, ist das ja auch ein Zeichen: Du bist mir wichtig und wenn du das machen möchtest, gehe ich diesen Weg mit dir.
Haben jüngere Paare andere Sorgen als die ältere Generation?
Eigentlich nicht. Probleme entstehen unabhängig von Alter und Generation. Eine Herausforderung für Paare kann die Geburt des ersten Kindes sein. Das Glück ist dann natürlich erst einmal groß. Aber so richtig an die Hand genommen, wie das funktioniert, so als Familie, wird man nicht. Oft ist man dann nur noch Mutter oder Vater. Da ist es wichtig, sich Zeiten zu schaffen, in denen man nur Paar ist. Dazu sollte man sich bewusst verabreden – quasi ein Date haben.
Glauben Paare zwischen 20 und 30 noch an Liebe, die für immer hält?
So wie ich es erlebe, ist die Bereitschaft, längere Beziehungen zu führen, immer noch hoch. Wenn Paare zu mir kommen, kostet das Geld, es ist ein Zeitaufwand und generell ist eine Therapie nicht die allerschönste Beschäftigung. Da ist eine hohe Bereitschaft da, an Beziehungen zu arbeiten.
Lässt sich Liebe denn überhaupt reparieren?
Beim Wort „reparieren“ muss ich schmunzeln. Ich bin ja keine Mechanikerin, bei der man die Liebesbeziehung in der Werkstatt abgeben kann. Ich begleite Paare und setze Impulse. Die eigentliche Arbeit, das Reparieren, liegt beim Paar selbst.
Raten Sie Paaren denn auch zur Trennung?
Ratschläge wie „Da wäre es besser, wenn sie sich trennen“ oder „Sie sollten auf jeden Fall zusammenbleiben“ spreche ich nicht aus. Ich begleite Paare, damit jeder für sich herausfindet, wo er steht und wo er hin möchte. Das kann durchaus auch eine Trennung sein.
Wenn es soweit kommt: Wie übersteht man eine Trennung ohne allzu schlimmen Liebeskummer?
Trennungen haben immer etwas mit Abschied zu tun. Manchen Menschen fallen Abschiede leichter, anderen schwerer. Da braucht es Zeit und Geduld, Freunde und Familie und vielleicht auch professionelle Unterstützung, um die eigenen Ressourcen wieder aufzudecken und zu erkennen.
Wie prägend ist eine Trennung für künftige Liebesbeziehungen?
Gerade wenn eine Trennung für eine Person sehr schmerzhaft war, kann das natürlich Narben hinterlassen, die wohl auch immer bleiben. Diese Narben können aber trotzdem verheilen – und eine Erinnerung dafür sein, immer gut auf sich aufzupassen. Das alles heißt aber nicht, dass man sich nach einer schwierigen Trennung nicht wieder auf eine neue Beziehung einlassen kann. Das sollte man auf alle Fälle! Liebe ist immer ein Wagnis – jedes Mal wieder.
Was macht eine gute Beziehung eigentlich aus?
Wichtig ist in erster Linie, dass ich mich mit der anderen Person wohlfühle. Das ist natürlich ein sehr individuelles Gefühl. Die Beziehung sollte etwas Freiwilliges sein. Beide Partner sollten noch ein autonomes Leben haben. Ich finde diesen Satz sehr schön: „Ich liebe dich, aber ich brauche dich nicht“. Es ist schön, wenn der Andere da ist und ich die Nähe zu ihm genieße. Aber es sollte mir auch gut gehen, wenn er nicht da ist.
Sollte vielleicht jedes Paar einmal zur Paartherapie gehen?
Hm. Ich finde, man kann das nicht grundsätzlich sagen. Generell empfehle ich Paaren, lieber zu früh als zu spät zu kommen. Wenn ich allerdings nicht das Gefühl habe, Unterstützung zu brauchen, weiß ich nicht, was ich dort überhaupt besprechen soll. Aber es gibt Paare, die Krisen überstanden haben und weiterhin zu mir kommen. Für die ist der Besuch ähnlich wie ein Wellnesswochenende, das man sich einmal im Jahr gönnt.
Das Interview führte Marion Neumann