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Münchner Krankenhäuser schließen Abteilungen: „Staat spart auf dem Rücken kranker Kinder“

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Von: Nina Bautz

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Kennen den Spar-zwang in Kliniken: Lina Fröhler mit Julian und Papa Florian
Kennen den Spar-zwang in Kliniken: Lina Fröhler mit Julian und Papa Florian. © FKN

Die Behandlung von Kindern ist für Krankenhäuser ein Verlustgeschäft und der wirtschaftliche Druck bei den Kliniken immens. Die Unterfinanzierung zeigt auch in München Auswirkungen.

München - Ohne das Haunersche Kinderspital würde unser Junge nicht mehr leben,“ sagt Lina Fröhler (33), deren Sohn Julian (7) von Geburt an schwerstbehindert ist. Gerade deshalb klagt sie: „In unseren Kinderkliniken fehlt es an allen Ecken und Enden – das merke ich bei jedem Aufenthalt.“ So wie den Fröhlers aus Niederbayern geht es fast allen Eltern chronisch kranker Kinder.

Kinder brauchen eine zeitintensivere und komplexere Versorgung als Erwachsene – trotzdem zahlt der Staat wie bei Erwachsenen nur pro Fall (Fallpauschalensystem). Die Folge: Alle Kinder-Einrichtungen arbeiten im Minus – und einzelne Abteilungen müssen schließen. Jetzt hat das Klinikum Rechts der Isar bekannt gegeben, dass die Kinder- und Jugendpsychosomatik geschlossen werden muss. Der Grund: eine „ungünstige Kosten-Erlös-Struktur“. Soll heißen: Die teils schwer traumatisierten Kinder sind zu teuer.

Kinderkliniken in München: Sparen wir unsere Kinder krank?

In der Haunerschen Kinderklinik sieht es nicht besser aus - und das bereits länger, wie wir im vergangenen Jahr berichtet hatten. Der Leiter, Prof. Christoph Klein, sagt uns: „Der Staat spart auf dem Rücken kranker Kinder. Der wirtschaftliche Druck hängt wie ein Damoklesschwert über unserer Klinik.“ Hier wurde die Abteilung für Psychosomatik bereits Anfang des Jahres eingestellt. „Aktuell stehen Stellenkürzungen im Bereich der Kinder-Gastroenterologie im Raum“, sagt Klein. Zudem sei die hochspezialisierte, ambulante Betreuung chronisch kranker Kinder „völlig unterfinanziert“. Hier seien etliche Stellen abgebaut worden.

Auch die städtischen Kinderkliniken, die in Schwabing und in Harlaching ihre Versorgung sogar ausbauen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, müssten intern „quer subventioniert“ werden, sagt Geschäftsführer Axel Fischer. „Finanziell lohnt sich die Kinderversorgung nicht.“ Hinzu komme gerade für München der Personalmangel im Pflegebereich. „Dieser führt dazu, dass es bei Frühchen und in der Kinderpflege immer wieder zu Bettenschließungen und Engpässen kommen kann.“

In der Haunerschen Klinik leidet vor allem die ambulante Betreuung am Sparzwang
In der Haunerschen Klinik leidet vor allem die ambulante Betreuung am Sparzwang. © Marcus Schlaf

Aber warum spart die Politik an unseren Kindern? Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat auf Nachfrage des Portals BR24 Änderungen im Fallpauschalensystem angekündigt. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Ruth Waldmann, hat die bayerische Staatsregierung aufgefordert, sich für die Kinder stark zu machen. „Die Behandlung muss anders abgerechnet werden dürfen.“

Ob es hilft? Der Leiter des Haunerschen Kinderspitals, Prof. Christoph Klein, sagt: „Ich appelliere seit zehn Jahren an die Politik, aber die will uns nicht hören.“ Er setzt nun auf die Münchner. Klein baut mit einer Stiftung eine Art Rettungsfond auf (www.care-for-rare.org). „Ohne Spenden könnten wir das Haus zumachen. Jeder kann helfen!“

Betroffene fordern: Das darf so nicht weitergehen

Lina Fröhler (33) ist es leid. „Es wird so viel Geld vergeudet, beispielsweise in Bauwerken. Und bei kranken Kindern wird an Zeit, Technik, Raum und Personal gespart. Obwohl jeder sagt, dass das Wichtigste die Kinder seien...“ Ihr Sohn Julian (7), der sich seit seiner Geburt in der Haunerschen Kinderklinik etlichen Operationen unterziehen musste, erhält dort alle drei Monate Spritzen. Leider passiere es immer wieder, dass ihr Kind dicht gedrängt mit anderen Kindern in einem Zimmer liegen muss oder dass an technischen Geräten gespart werde, so die Niederbayerin. 

„In einer anderen Klinik wurde uns einmal eine Untersuchung verweigert, weil es hieß, die Jahresrechnung sei zu hoch.“ Und ihre eigentliche gesunde Tochter wurde mit einer akuten schweren Magen-Darm-Grippe in einem bayerischen Krankenhaus wegen Kapazitätsmangel tatsächlich abgewiesen - und musste ein paar Tage später wieder als Notfall mit dem Krankenwagen eingeliefert werden. „Das darf so nicht weiter gehen“, sagt Fröhler.

Schon länger besteht die Befürchtung, dass das System der Patientenversorgung in den Münchner Kliniken vor dem Kollaps steht. Hintergrund ist der dramatische Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal.

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