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„Hilferuf der Branche“: Bereits 500 bayerische Gemeinden haben kein Wirtshaus mehr

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Von: Janina Ventker

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Rund 1200 Wirte und Hoteliers marschieren durch die Innenstadt.
Rund 1200 Wirte und Hoteliers marschieren durch die Innenstadt.

Zu viel Bürokratie, zu wenig Flexibilität: Bayerns Wirte und Hoteliers sind am Montag in München auf die Straße gegangen, um gegen immer mehr Regulierungen zu demonstrieren.

München - Rund 1200 Menschen schlossen sich laut Polizei dem Protestzug vom Königsplatz bis zur Theresienwiese an. Es kam zu Verkehrbehinderungen, ansonsten blieb es friedlich. „Den Wirten wird ihre Arbeit durch die ganzen Dokumentationsvorschriften erschwert“, sagte etwa Petra Sitter (54), die das Bier- und Wohlfühlhotel Gut Riedelsbach in Neureichenau führt. „Wir wollen für unsere Gäste da sein, nicht nur für den Schreibtisch.“

Der größte Kritikpunkt aller Wirte: das Arbeitszeitschutzgesetz. Das sieht vor, dass Mitarbeiter am Tag maximal zehn Stunden arbeiten dürfen. Die Wirte fordern flexiblere Arbeitszeiten. Hotelier Bernhard Sitter sagte: „Wir wollen unsere Mitarbeiter nicht ausnutzen. Jede Stunde, die sie arbeiten, wird auch bezahlt. Aber wenn man eine Hochzeitsgesellschaft hat, muss man jetzt oft um 24 Uhr aufhören – das kann es doch auch nicht sein!“

„Ein Hilferuf unserer Branche“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) schlägt eine Lösung vor: die Umstellung auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Manch ein Wirt würde gar eine monatliche Höchstarbeitszeit befürworten. Wirt Jürgen Lochbihler vom Pschorr am Münchner Viktualienmarkt: „Es gibt viele, die wollen flexibel arbeiten, denen macht die vermeintliche Regelarbeitszeit das Leben schwer. Es ist wichtig, jetzt zu sensibilisieren. Denn das betrübliche Wirtshaussterben ist die Folge.“ Laut Dehoga haben etwa 500 bayerische Gemeinden schon jetzt kein Wirtshaus mehr. Dehoga-Bayern-Präsidentin Angela Inselkammer betonte: „Die Demonstration ist ein Hilferuf unserer Branche, denn die immer größer werdende Verordnungslawine nimmt unseren Betrieben die Luft zum Atmen.“

Eine weitere Forderung der Wirte: die steuerliche Gleichbehandlung aller Speisen. Wo Gastronomen 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen, sind es bei Imbissen nur neun Prozent.

Umfrage: Das meinen Wirte und Gastronomen

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© Klaus Haag

Josef Lehner (63), Restaurant Zum Alten Markt in München: „Ich bin in die Gastro hineingeboren. Mein Restaurant am Viktualienmarkt führe ich seit 32 Jahren, manche Mitarbeiter sind fast ebenso lang dabei. Das Wichtigste ist doch, dass die Arbeit Spaß macht. Und wenn’s Spaß macht, ist die Zeit egal. Man soll die Mitarbeiter so lange arbeiten lassen, wie sie wollen. Arbeit ist doch keine Strafe!“

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© Klaus Haag

Anita Stocker (41), Gasthof und Pension Stocker in Landsham bei München: „Mir fallen auf Anhieb vier Wirtshäuser in der Gegend ein, die schließen mussten. Gastro ist harte Arbeit! Es fehlt an Personal. Zu schaffen macht uns auch die Schwarzgastronomie. Ein ehemaliger Stammtisch trifft sich jetzt in einer Blockhütte — da ist das Bier halt günstiger.“

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© Klaus Haag

Jochen (67) und Ursula Sachse (68), Stadthotel Augsburg in Augsburg: „Wir haben die Nase voll vom Dokumentations-Wahnsinn! Beim Arbeitszeitschutzgesetz steht man mit dem halben Fuß im Gefängnis, wenn man jemanden mal etwas länger arbeiten lässt. Aber wir müssen flexibel sein und können nicht immer noch mehr Leute einstellen.“

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© Klaus Haag

Johann Geyer (35) mit Frau Maria (31) und Söhnen Johann (2) und Xaver (1), Landhotel Geyer, Kipfenberg: Die ganze Bürokratisierung und die Vorschriften – das wird einfach zu viel! Da braucht man schon Mut zur Lücke. Allein um die Datenschutz-Grundverordnung der EU einzuhalten, bräuchte ich einen Extra-Mitarbeiter. Dabei findet man eh kaum Personal. Ich fordere weniger Bürokratie und mehr Zeit für den Gast – und für meine Kinder!

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