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Eine Holzkirchnerin in Uruguay

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Von: Bettina Stuhlweißenburg

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Fand auf der anderen Seite der Welt ein Zuhause auf Zeit: Amelie mit der Flagge Uruguays, die ihr uruguayische Freunde zum Abschied geschenkt haben. © Foto: Andreas Leder

Sie ging als Vegetarierin und kam als Rindfleisch-Connaisseur zurück: Ein Jahr lang lebte Amelie aus Holzkirchen in Uruguay.

Holzkirchen –Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch nach China gehen können. Oder nach Australien. Sieben verschiedene Länder hatte sich Amelie (17) ausgesucht – die Austauschorganisation „Youth for Understanding“ sandte die Gymnasiastin schließlich nach Uruguay. „Anhand meiner Bewerbung und des Auswahlgesprächs hat die Organisation entschieden, was am besten zu mir passt“, erzählt sie. Oder besser: Wer am besten zu ihr passt. Denn die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Organisation versucht, Jugendliche und Gastfamilien zusammenbringen, die – bei allen Unterschieden – miteinander harmonieren.

Das klappt nicht immer: „Es gibt auch Jugendliche, die in ihrer Familie nicht glücklich sind und wechseln möchten“, erzählt Amelie. Sie dagegen schaffte es, sich einzuleben. In die lateinamerikanische Patchwork-Familie nahe Montevideo, zu der neben ihrem Gastbruder (8) und ihrer Gastschwester (16) auch zwei Hunde gehörten.

Leicht war das nicht. Amelie konnte zu Beginn ihres Auslandaufenthalts kein Spanisch, ihre Familie – abgesehen vom berufstätigen Gastvater – kaum Englisch. „Der Google-Translator ist sehr hilfreich“, sagt Amelie. Außerdem habe sie sich mit Händen und Füßen verständigt. „Anfangs war jede Unterhaltung anstrengend, man muss sich sehr viel Mühe geben“, sagt sie. Eine Mitschülerin half ihr, die Schulaufgaben zu verstehen und im Unterricht mitzukommen.

Wie die junge Holzkirchnerin heute weiß, hat Völkerverständigung aber nicht nur mit Sprache zu tun: Auch, als sie sich nach einiger Zeit gut unterhalten konnte, habe sie ihre Familie oft nicht verstanden. „Das hat sehr lange gedauert. Aber in dem Moment, wo ich das geschafft habe, habe ich dazugehört.“ Irritierend waren etwa Begrüßung und Verabschiedung. „Man küsst sich immer auf die Wange, sogar, wenn man nur zur Schule geht.“ Sie als Deutsche fand es zunächst befremdlich, wenn ihr die Gesichter fremder Leute derart nah kamen.

Außerdem ist Amelie Vegetarierin. Aber aus Respekt gegenüber der uruguayischen Kultur entschloss sie sich, Fleisch zu essen. Schließlich habe Asado – eine festliche, aber ungezwungene Grillmahlzeit – in dem Land einen hohen Stellenwert. Es gehe dabei nicht nur ums Essen, sondern vor allem um das soziale Miteinander. „Außerdem wollte ich nicht, dass meine Gastfamilie extra für mich etwas anderes kochen muss.“ Hätte sie auch in Uruguay vegetarisch gegessen, hätte sie was verpasst, ist sich Amelie sicher: „Das Fleisch dort ist unheimlich gut. Die haben vier Mal mehr Kühe als Menschen“, schwärmt sie. Besonders die gegrillten Rinderrippchen haben es ihr angetan.

Ob sie je Heimweh hatte? „Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich die ersten zwei Monate keinen Kontakt möchte,“ sagt Amelie. „Ich wollte nicht alle paar Tage in mein altes Leben eintauchen, sonst kommt man ja nicht an.“ Ihre Eltern haben das einfach so geschluckt? „Wir haben vereinbart, dass keine Nachrichten gute Nachrichten sind.“ Hilfreich sei für ihre Eltern gewesen, dass die Gasteltern ihnen über Whatsapp Fotos schickten. „Sie wussten also, wie es mir geht.“

Auch die Rückkehr nach Holzkirchen verlangte Amelie Anpassungsvermögen ab: „Das Leben daheim ist weitergegangen, ich habe ein Jahr verpasst.“ Immerhin fand sie im Unterricht gleich Anschluss – und das, obwohl sie nach der 9. Klasse ging und in der 11. Klasse wieder einstieg.

Ihre wichtigste Erfahrung? „Am meisten hat mich fasziniert, dass man auf der anderen Seite der Welt eine zweite Familie und ein neues Zuhause finden kann. Und zwar in dem Moment, wo man anfängt, zu verstehen.“

Die Organisation Youth for Understanding sucht Gastfamilien

wurde in den 50er-Jahren im Rahmen der Demokratisierung Deutschlands durch die USA gegründet. Ziel ist die Förderung von Völkerverständigung und Frieden. Derzeit sucht die Organisation Gastfamilien (auch kinderlose und schwul-lesbische) in Deutschland, die bereit sind, einen Jugendlichen aus dem Ausland aufzunehmen. Interessierte Familien können sich melden unter z 040/22 70 02-0. Weitere Infos: www.yfu.de.

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