Die A8 wie leer gefegt: Nützen jetzt Raser ihre Chancen?

Corona leert die Autobahnen. Die A 8 zwischen München und Irschenberg wirkt wie ausgestorben. Ein unwirkliche Zeit. Nützen jetzt Raser ihre Chance?
Holzkirchen – Er war erst wenige Tage da, da nahm die große Krise richtig Fahrt auf. André Hergt (39) stieß am 1. März zum Team der Autobahnpolizei (APS) Holzkirchen. APS-Chef Michael Janski (53) hatte länger ohne einen „Vize“ auskommen müssen, umso größer war die Freude, als der neue Kollege seinen Schreibtisch einräumte.
Hergt wohnt – wie Janski –im Landkreis Miesbach; zuletzt war der Polizeihauptkommissar in München zuständig für die Überwachung von Fußball-Fans. Jetzt also die A 8 – und zum Dienstbeginn in Holzkirchen gleich der Corona-Paukenschlag.
Seit einer Woche sind Autos und Lkw nur noch sporadisch unterwegs
„Die Fahrzeug-Bewegungen sind fast schlagartig zurückgegangen“, sagt Janski. Nach den Schulschließungen und der Aufforderung an die Unternehmen, auf Home-Office umzusatteln, sei ein erstes Abflauen spürbar geworden. Seit vor einer Woche vom Freistaat die Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden, „ist fast gar nichts mehr los“, berichtet Janski.
Autos dicht an dicht, regelmäßige Staus, schier unendliche Lkw-Karawanen – wie weggeblasen. „Tankstellen und Rastplätze sind leergefegt“, stellt der APS-Chef fest, „nur noch sporadisch sind Fahrzeuge unterwegs.“
Die Normalität macht Corona-Pause
Und das auf einem Abschnitt, der als Nadelöhr einer der zentralen Nord-Süd-Verkehrsachsen in Mitteleuropa gilt. 2018 war ein Rekord erreicht: An nur einem Tag rauschten 168 000 Autos und Lkw an Holzkirchen vorbei. Den Zuwachs allein der vergangenen zehn Jahre schätzt Janski auf 8000 Bewegungen. An normalen Tagen donnern über 12 000 Lkw, Sattelzüge und Busse vorbei. Doch die normalen Tage, die machen jetzt Corona-Pause.
Eine leere Autobahn, freier Asphalt bis zum Horizont – lockt das nicht Raser an? „Könnte man denken“, sagt Janski, „ist aber nicht so.“ Offenbar wirke viel Platz eher beruhigend. „Es braucht weder hektisches Bremsen noch übertriebenes Gasgeben.“ Ruhiges Rollen sei zu beobachten. „Jeder findet den Platz, den er oder sie braucht.“
Doch Ausreißer gibt es. So jagte am Sonntag ein 51-jähriger Münchner auf seinem Motorrad mit 250 km/h vom Irschenberg nach Norden, teilweise in der 130er-Zone. „Das zeigt, dass unsere Anwesenheit schon noch erforderlich ist“, betont Janski.
„Unsere Autos sind gut motorisiert“
Eine APS-Streife nahm die Verfolgung auf. „Unsere Einsatzautos sind gut motorisiert“, sagt Janski, „so schnell hängt uns niemand ab.“ Der Biker verlor die Nerven, vollführte wahnwitzige Fluchtmanöver und hätte in Sauerlach beinahe ein Kind überfahren, ehe er doch gestellt wurde.
Der Münchner wird sich wegen eines „illegalen Fahrzeug-Rennens“ verantworten müssen. „Ein neuerer Straftatbestand“, erklärt Janski. Nicht zwingend müssen zwei Fahrer beteiligt sein. „Es reicht, wenn es um das bloße Erreichen einer Höchstgeschwindigkeit geht und das Fahrzeug rücksichtlos als Werkzeug missbraucht wird.“
Vor Gericht schlägt das durch. Janski berichtet von einem Motorradfahrer, den die APS dabei erwischte, wie er, über alle Fahrbahnen einschließlich Seitenstreifen kurvend, seine Maximalgeschwindigkeit erreichen wollte. Durch Zahlung von 4000 Euro an einen guten Zweck erwirkte er eine Verfahrenseinstellung. „Das wird bei dem vom Sonntag nicht reichen, der hat ja ein Kind gefährdet“, glaubt der APS-Chef.
In Sachen Motorrad hat die APS Holzkirchen eine Spezialtruppe im Haus: Die Kontrollgruppe Motorrad ist regelmäßig an den Hotspots in Oberbayern präsent, speziell am Sudelfeld, am Kesselberg oder am Rossfeld. „Die Kollegen erhöhen aber auch anderswo den Kontrolldruck auf unvernünftige Biker.“
Wer fährt, sollte dafür einen triftigen Grund haben
Einfach so zum Spaß aufs Motorrad schwingen oder eine Spritztour im Cabrio unternehmen – das verbietet sich aber ohnehin angesichts der jüngsten Corona-Ausgehbeschränkungen. „Wir haben ein Auge drauf, ob die Autos, die unterwegs sind, auch einen triftigen Grund haben, unterwegs zu sein,“, sagt Janski.
Sollte sogar das Oktoberfest ausfallen, das die APS stets mit aufwendigen Kontrollen begleitet, „dann wird uns sicher was fehlen“, lächelt der Inspektionsleiter. Der Coronakrise müsse aber wohl jeder Teil des gewohnten Alltags Tribut zollen, „selbst die Wiesn“.