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Podiumsdiskussion mit illustren Gästen: Ist Nachhaltigkeit doch nur ein Trend?

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Anregende Diskussion, kurzweiliger Abend: Im Oberbräusaal tauschten sich Konrad Buckel (v.l.), Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing, Rudolf Hogger vom Weltladen, Ali Sene vom Verein Hilfe für Straßenkinder in Mbour, Josef Göppel Energieberater der Bundesregierung für Afrika und LMU-Professor Markus Vogt (nicht auf dem Bild) aus. Die Moderation leitete BR-Landtagskorrespondent Julian von Löwis. © Andreas Leder

Den Begriff Nachhaltigkeit beanspruchen Unternehmen wie Politiker. Doch wie füllt man ihn tatsächlich mit Inhalt? Eine Frage, die bei einer Podiumsdiskussion erörtert wurde.

Holzkirchen – Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Der Begriff erfreut sich großer Beliebtheit: bei Konzernen, Parteien, und Organisationen, die mit ihm werben. Ihm haftet daher das Stigma an, es handele sich nur um einen Marketing-wirksamen Trend. Dass dem nicht so ist und wie wichtig Nachhaltigkeit tatsächlich für die Zukunft ist, verdeutlichte die Podiumsdiskussion der Raiffeisenbank Holzkirchen-Otterfing im Oberbräusaal.

Die illustre Runde zeigte auf, was es braucht, um den Begriff mit Inhalt zu füllen, welche verschiedenen Herangehensweisen es gibt und wie sich Theorie und Praxis dabei unscheinbar, aber unweigerlich verzahnen.

Den wohl ungewöhnlichsten Zugang der fünf Diskussionsteilnehmer zum Thema hatte der Veranstalter selbst, die Raiffeisenbank. Das Geldinstitut orientiert sein Handeln und Wirtschaften an vier Begriffen: einfach, fair, transparent, nachhaltig. Das Umdenken, erklärt Vorstandsvorsitzender und Gastgeber Konrad Buckel in seinem Impulsvortrag, habe 2014 eingesetzt: „Wir haben uns gefragt, ob es uns egal ist, wo wir unser Geld anlegen und was damit passiert.“ War es nicht.

Die Bank bereinigte ihr 100 Millionen Euro schweres Anlageportfolio etwa um Länder, die noch die Todesstrafe verhängen. 90 Prozent des Anlagevermögens, berichtete Buckel, ist heute ethisch-nachhaltig investiert. Auch ihren Kunden bietet die Bank Nachhaltigkeitsfonds, in denen wiederum sechs Millionen Euro stecken. „Wir wollen nicht als Saubermänner dastehen, wir machen Fehler“, sagte Buckel, „aber wir wollen umsetzen, was möglich ist.“ Dazu zählen Mikro-Finanzierungen, die die mit dem Nachhaltigkeitspreis prämierte Genossenschaftsbank seit Kurzem gewährt. „Das“, sagt Buckel, „ist in Deutschland aber noch nicht so ausgeprägt.“

Welche Wirkung diese Kleinst-Kredite entfachen können, verdeutlichte Ali Sene, der Vorsitzende des Holzkirchner Vereins Hilfe für Straßenkinder in Mbour. In der Stadt im Senegal verhilft der Verein Frauen mit einem zinsfreien Startkapital von 40 Euro zu einem kleinen Tante-Emma-Laden. Das Prinzip ist einfach: Die Damen kaufen auf dem nahe gelegenen Fischmarkt Waren und vertreiben sie in ihrem Dorf. Die Bewohner müssen somit nicht teuer bei der französischen Einzelhandelskette einkaufen, die laut Sene das Monopol innehat.

Die Ladeninhaberinnen zahlen monatlich zehn Euro zurück, bis der Kredit abbezahlt ist. Das Geld wandert in einen Topf, aus dem anderen Finanzierungen gewährt werden. 60 Frauen haben sich schon beworben, berichtete Sene. Für ihn steht fest: „Geld macht glücklich – wenn man es richtig einsetzt.“ Mikro-Kredite, attestierte auch der Theologe Markus Vogt, der als Professor in München Sozialethik lehrt, sind „das erfolgreichste Programm der Armutsbekämpfung“.

Aber der Senegal, mag man jetzt sagen, der ist weit weg. Richtig. Nur: „In Afrika entscheidet sich, wie auch in unserem Land die Zukunft aussieht“, prophezeite Josef Göppel, ehemals Mitglied des Bundestags, heute Energieberater der Bundesregierung für Afrika. Statt Technologien zu exportieren, müsste man „vor Ort einen Grundstock an Handwerken aufbauen“. So wie es der Senegal-Verein macht. Nach einer Schule eröffnet er in Mabour heuer ein Ausbildungszentrum für Elektroinstallation sowie Holz- und Metallverarbeitung.

Doch nicht nur in Afrika, auch hierzulande brauche es einen politisch gesteckten Rahmen, um Nachhaltigkeit zu manifestieren. Egal ob Finanzwesen, Landwirtschaft oder Lebensmittelindustrie. „Wenn es freiwillig bleibt, ist der, der es freiwillig macht, der Depp“, sagte Göppel. Der Impuls müsse aber aus der Bevölkerung kommen. „Veränderung passiert nicht im Parlament, sie muss erst ins Parlament schwappen“, sagte er und nahm damit jeden der gut 250 Zuhörer in die Pflicht.

Erst durch die Mischung aus einigen wenigen Pionieren, einem grundsätzlichen Wertewandel und der nötigen Rechtsgrundlage, pflichtete ihm Vogt bei, lasse sich ein erfolgreiches Umdenken anschieben. „Wir haben uns so an die Rede von Nachhaltigkeit gewöhnt“, sagte er, „dass wir gar nicht merken, wie revolutionär es wäre, wenn wir es auch umsetzen.“

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