Bayerns Bibel für die Küche

Miesbach - Das „Bayerische Kochbuch“ hat seine Wurzeln an der Frauenschule in Miesbach. Anlässlich des 100. Geburtstags der Rezeptsammlung beherbergt die Aula der Schule derzeit eine Ausstellung zur Geschichte des Werks.
Vor einem Jahrhundert haben Hauswirtschaftsschülerinnen in Miesbach begonnen, Rezepte in einem Kochbuch zu sammeln. In der Aula der von Miesbachs Bürgermeisterin Ingrid Pongratz immer noch liebevoll betitelten Frauenschule - mittlerweile firmiert sie als Berufliches Schulzentrum (BSZ) - informiert derzeit eine Ausstellung von Kuratorin Regina Frisch über die Geschichte der traditionsreichen Kochfibel. „Dieses Kochbuch ist etwas einmaliges und in Bayern weit verbreitet. Das BSZ ist sozusagen die Wiege des Kochbuchs“, sagte Schulleiter Martin Greifenstein und erklärte damit den Titel der Ausstellung. Die Rezeptsammlung war zunächst unter dem Titel „Kochbuch des Bayerischen Vereins für wirtschaftliche Frauenschulen auf dem Lande“ bekannt und fungierte damals als Lehrbuch.
Die Begründerin des Bayerischen Kochbuchs, wie man es heute kennt, war Maria Hofmann, in den 1930er-Jahren Lehrerin an der Frauenschule. Hofmann bearbeitete das Buch ab der 15. Auflage, mistete aus und nahm Modernisierungen vor. Seit den 1960er-Jahren fungiert Helmut Lydtin, Neffe der Begründerin, als Co-Autor. Der Mitarbeit des Professors der inneren Medizin sind Nährwerttabellen und die Kapitel über Krankenkost zu verdanken. Seit dem Tod seiner Tante 1998 ist Lydtin alleinverantwortlicher Herausgeber des kulinarischen Bestsellers.
Dieses Stück bayerische Kultur- und Heimatgeschichte zieht auch Rathauschefin Pongratz gern zu Rate. „Ich koche gerne, das erdet mich“, erzählte die Bürgermeisterin. „Dieses Kochbuch ist unglaublich spannend und interessant.“ Interessant ist - neben den Rezepten - vor allem die Entwicklung des Buches im Laufe der Jahre, was auch die Vernissage thematisiert. Themenbereiche sind das Kochbuch als Lehrbuch, Politik im Kochbuch, Bayerische Küche im Kochbuch sowie Techniklehre im Kochbuch.
Am besten zeigt sich die Entwicklung des Werks im Hinblick auf die politische Situation zur Zeit der Veröffentlichung der jeweiligen Ausgabe. So erfolgten beispielsweise während des Ersten Weltkriegs Änderungen in der Namensgebung einiger Rezepte, trotz gleich bleibender Zubereitungsschemata. Aus Weinchadeau wird Weinauflauf, der Kartoffelpüree nennt sich fortan Kartoffelbrei. Hintergrund ist die Tatsache, dass damals „Feindsprache“ (Frisch) nicht erwünscht war. Auch der Einfluss des Nationalsozialismus ist unverkennbar. „Damals musste immer am ersten Sonntag des Monats Eintopf gekocht werden“, erklärt Frisch. „Die Satt-ess-Suppen hießen im weiteren Verlauf Eintöpfe.“ Den Besucher erwartet also ein kulinarischer Geschichtsunterricht.
Die Ausstellung ist bis 23. Dezember täglich von 8 bis 16 Uhr in der Aula der Schule zu sehen.
Bastian Huber